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Wissenschaftliche Fakten entkräften Befürchtungen

Erster Risikoabgleich bestätigt Sicherheit von gemischten Blutkonzentraten für Patienten

 

Greifswald (30. Januar 2013) – Ende letzten Jahres erreichte die teilweise sehr emotional geführte Diskussion um gemischte Thrombozytenkonzentrate und die restriktive Erstattungspraxis der Krankenkassen ihren Höhepunkt, indem ein vielfaches Infektionsrisiko für betroffene Patienten befürchtet und kommuniziert wurde (s. a. VISITE*). Das führte bundesweit zu einer großen Verunsicherung bei Patienten, die auf Transfusionen angewiesen sind.

 

Greifswalder und kanadische Wissenschaftler haben jetzt erstmals an mehreren tausend Patienten die Behandlungssicherheit von gemischten Thrombozytenkonzentraten untersucht. Die Ergebnisse werden morgen im New England Journal of Medicine** veröffentlicht.

Durch die Verwendung von so genannten gepoolten Thrombozytenkonzentraten von mehreren Spendern ergibt sich theoretisch ein 1,4-fach höheres Risiko, sich mit Erregern und Bakterien zu infizieren, nicht ein 5-fach erhöhtes Risiko, wie oft angenommen. Sowohl die kanadischen Transfusionsmediziner als auch die deutschen Wissenschaftler kamen unabhängig voneinander bei der Analyse tausender Patienten aus den letzten zehn Jahren zu dem gleichen Ergebnis. „Mit dieser Studie können wir zur Versachlichung der Debatte beitragen“, hofft der Greifswalder Transfusionsmediziner und Gerinnungsexperte Prof. Andreas Greinacher (Foto).

 

 

Einspenderprodukte, Mehrspenderprodukte – worum geht es?

 

Aus Vollblutspenden können rote Blutkörperchen (Erythrozyten), Blutplasma und Blutplättchen (Thrombozyten) gewonnen werden. Die Thrombozyten sind für die Blutgerinnung wichtig. Zu wenige Blutplättchen erhöhen das Risiko einer gefährlichen Blutung. Vor allem Patienten mit einer Chemotherapie, Blutkrebs oder Operationen mit größerem Blutverlust erhalten Thrombozytenkonzentrate. Hierfür können entweder die Thrombozyten aus den Vollblutspenden von vier bis fünf Spendern gewonnen und zusammengemischt (gepoolt) werden oder die Thrombozyten werden von einem Einzelspender durch maschinelle Zellauftrennung (Apherese) herausgefiltert.

Bei der Apherese werden einem Spender in einer Art Blutwäscheverfahren die Blutplättchen entnommen. Dafür wird der Spender etwa eine Stunde an eine Maschine angeschlossen. Mit der Vor- und Nachbereitungszeit dauert der Vorgang etwa zwei Stunden. Die reine Blutplättchenspende liefert ein bis drei Apherese-Thrombozytenkonzentrate, ist zeitlich erheblich aufwändiger als die normale Blutspende und deutlich teurer. Bei einem Pool-Thrombozytenkonzentrat werden die Blutplättchen von vier bis fünf Vollblutspendern zu einem Blutprodukt zusammengestellt. Gleichzeitig können jedoch auch die roten Blutkörperchen und das Plasma für die Patientenversorgung genutzt werden.

Kritiker der gemischten Thrombozytenkonzentrate sprechen aufgrund der verschiedenen Spender von einem 4- bis 5-fach erhöhten Gesundheitsrisiko für den Patienten, da mit der Transfusion eines gemischten Thrombozytenkonzentrates ein Patient mit dem Blut von vier bis fünf Spendern in Kontakt kommt. Im Vergleich dazu käme ein Patient durch die Transfusion eines Apherese-Thrombozytenkonzentrates nur auf einen Spenderkontakt (sog. Spenderexposition).

„Mit der Untersuchung der Patienten der letzten zehn Jahre in der Region Greifswald sowie im kanadischen Hamilton (McMaster Universität) konnten wir jetzt erstmals belegen, dass durch eine Regelversorgung mit gemischten Thrombozytenkonzentraten die Spenderexposition nur geringfügig ansteigt“, erklärte Prof. Andreas Greinacher, Leiter der Abteilung Transfusionsmedizin am Institut für Immunologie und Transfusionsmedizin an der Universitätsmedizin Greifswald. Dafür wurden die Spenderexpositionen aller Patienten ermittelt, die Thrombozytenkonzentrate erhalten haben. Neben Thrombozytenkonzentraten erhalten diese schwerkranken Patienten meistens auch eine große Anzahl weiterer Blutprodukte wie z. B. rote Blutkörperchen oder Plasma. Damit relativiert sich der Effekt der Transfusion gemischter Thrombozytenkonzentrate sehr stark. Anstelle einer 4- bis 5-fach erhöhten Spenderexposition ergab die Auswertung nur eine 1,4-fache Erhöhung. „Mit diesen Ergebnissen können wir jetzt eine fundierte Aufklärungsarbeit bei Transfusionspatienten leisten“, so Greinacher.

Unabhängig von der Spenderexposition sind sowohl gemischte Thrombozytenkonzentrate als auch Apherese-Thrombozytenkonzentrate in Deutschland sicher. So hatte eine Auswertung*** des zuständigen Paul-Ehrlich-Instituts von Daten zwischen 1997 und 2012 ergeben, dass Infektionen nach Verabreichung beider Arten von Thrombozytenkonzentraten äußerst selten auftreten (http://www.pei.de).  

 

 

Warum brauchen wir Apherese- und Mischkonzentrate?

 

Die mengenmäßige Absicherung mit Thrombozytenkonzentraten in Deutschland ist nicht ausschließlich durch die maschinelle Apherese möglich. Dafür werden vor allem jüngere Spender gebraucht; der Aufwand ist enorm. Gleichzeitig müssen für die Versorgung der Patienten ausreichend Vollblutspenden vorrätig sein. In Greifswald werden jährlich rund 20.000 Vollblutsspenden entnommen und etwa 2.000 Blutplättchenpräparate benötigt. Von diesen werden ca. 1.800 als gemischte Thrombozytenkonzentrate aus den in jedem Fall für die Bereitstellung von roten Blutkörperchen notwendigen Vollblutspenden gewonnen. „Würden wir alle Patienten mit Apherese-Thrombozytenkonzentraten versorgen, würde dies allein in Greifswald zusätzlich etwa 4.000 Blutspendestunden an der Apheresemaschine erfordern“, erläuterte Greinacher.

Unverzichtbar sind Apherese-Thrombozytenkonzentrate für Menschen, die nur bestimmte Blutgruppenpräparate vertragen, weil sie gegen gewisse Blutgruppen immunisiert sind. Für die Behandlung von immunisierten Patienten muss aufgrund der unterschiedlichen Blut- und Gewebemerkmale auf den Blutplättchen zwingend ein ausreichend großer Stamm an Apheresespendern zur Verfügung stehen. „Dieser ist nur zu erhalten, wenn diese Spendeform regelmäßig durchgeführt und der Spenderstamm dadurch gepflegt wird. Darüber hinaus besteht an Feiertagen, an denen keine Vollblutspende stattfindet, ein Mangel an Thrombozytenkonzentraten. Dieser Mangel kann nur mit der Herstellung von Apherese-Thrombozytenkonzentraten an Feiertagen ausgeglichen werden“, betonte der Greifswalder. Es sei allerdings ein Unding, wenn in diesen Fällen die Apheresepräparate nicht mehr von den Krankenkassen bezahlt werden.

 

Anmerkungen

 


 

Quelle: Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald, 30.01.2013 (hB).

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