MEDIZIN

DOC-CHECK LOGIN

Ziel der Rheumaforscher in Berlin:

Das Krankheitsgedächtnis für Rheuma löschen

 

Berlin (11. Dezember 2008) – Autoimmunerkrankungen wie rheumatoide Arthritis, Lupus erythematodes oder multiple Sklerose entstehen, wenn das Immunsystem körpereigenes Gewebe angreift. Eine wichtige Rolle spielen dabei überaktive Gedächtniszellen des Immunsystems, die sich nach erfolgreicher Abwehr eines Krankheitserregers verselbstständigen und weiter gegen einen vermeintlichen Feind kämpfen, obwohl der "Krieg" längst zu Ende ist.

Wissenschaftler des Deutschen Rheuma-Forschungszentrums (DRFZ) in Berlin erforschen das "immunologische Gedächtnis" und seine Entgleisungen. Daraus wollen sie neue Strategien für die Behandlung dieser schweren Krankheiten ableiten.

 

Die derzeitige Behandlung chronisch-entzündlicher rheumatischer Erkrankungen basiert auf der ungezielten Unterdrückung des überaktiven Immunsystems, das sich gegen den eigenen Körper richtet. Eine Heilung ist dadurch in der Regel nicht möglich, die Erkrankung kehrt nach Absetzen der Therapie zurück. "Das Immunsystem erinnert sich an das Rheuma", sagt Professor Andreas Radbruch, Wissenschaftlicher Direktor des DRFZ. Basis dieser Erinnerung ist das "immunologische Gedächtnis", das erst seit kurzem näher erforscht ist und den gesunden Menschen vor Krankheiten schützt, die er zuvor überstanden hat. Wird der Körper erneut mit dem Krankheitsauslöser (Antigen) konfrontiert, ist dank der Gedächtniszellen eine schnellere und effizientere Abwehr möglich. Danach wird die Aktivität dieser Zellen durch ein kompliziertes Regelwerk wieder heruntergefahren. Bei Autoimmunerkrankungen entziehen sich die Zellen jedoch dieser Kontrolle und entwickeln ein Eigenleben.


Das immunologische Gedächtnis wird vor allem von zwei Zelltypen des Immunsystems bestimmt: von langlebigen T-Lymphozyten, die Immunreaktionen über verschiedene Botenstoffe (Zytokine) regulieren, sowie von langlebigen B-Lymphozyten, so genannten Plasmazellen, die schützende Antikörper produzieren. Bei Autoimmunerkrankungen richten sich diese Antikörper jedoch gegen körpereigenes Gewebe, daher spricht man von Autoantikörpern (auto= selbst, eigen). Langlebige Plasmazellen entstehen beim zweiten Kontakt des Immunsystems mit einem Antigen. Sie wandern danach ins Knochenmark oder in entzündetes Gewebe. Dort docken sie an Bindegewebszellen an, die ihnen eine geschützte Nische bieten, wo sie sich dem Zugriff des immunologischen Kontrollsystems ebenso entziehen wie dem Angriff durch immunsuppressive Medikamente. Sie teilen sich nicht mehr, verlieren ihre Fähigkeit zu wandern, produzieren aber weiter Autoantikörper.


"Ohne Frage sind langlebige Plasmazellen ein interessantes neues therapeutisches Ziel", sagt Radbruch. Die Konzentration der Wissenschaftler auf die Plasmazellen allein greift jedoch zu kurz, denn wahrscheinlich sind auch Gedächtnis-T-Lymphozyten an der Aufrechterhaltung entzündlich-rheumatischer Erkrankungen beteiligt. Diese entstehen durch mehrfachen Kontakt mit einem Antigen, der sie entscheidend prägt und verändert. Bei diesem Prozess werden bestimmte Gene stillgelegt und andere dauerhaft eingeschaltet, die fortan in Botenstoffe übersetzt werden, die das immunologische Gleichgewicht aus dem Ruder laufen lassen. Ein solchermaßen aktiviertes Gen ist z. B. twist1. "T-Lymphozyten mit außergewöhnlich hoher twist1-Expression dominieren in chronisch entzündetem Gewebe von Patienten mit rheumatoider Arthritis, reaktiver Arthritis oder Morbus Crohn", so Radbruch.


Um das immunologische Gedächtnis für rheumatische Erkrankungen dauerhaft zu löschen, erklärt der Wissenschaftler, müssen künftig beide Zelltypen ins Visier genommen werden. Dass die Löschung des immunologischen Gedächtnisses prinzipiell funktioniert, zeigen die Erfahrungen an Patienten, bei denen das Immunsystem zunächst durch Chemotherapie völlig zerstört und anschließend durch eine Transplantation eigener Stammzellen wieder aufgebaut wurde. Mit ihrem neuen Immunsystem haben die Patienten die Krankheit meistens überwunden. Diese Art Therapie ist jedoch wegen des vorübergehenden, aber lebensgefährlichen Infektionsrisikos für eine breite Anwendung nicht geeignet. Für die Zukunft setzt Radbruch daher auf subtilere Methoden, mit denen die Gedächtniszellen im Körper gezielt aufgesucht und ausgeschaltet werden können. Die Wissenschaftler des DRFZ haben mit ihren Erkenntnissen zur Funktion des immunologischen Gedächtnisses bereits die Basis dafür gelegt.

Am 13. Dezember 1988 errichteten das Land Berlin und das Immanuel-Krankenhaus, die damalig einzige Rheumaklinik West-Berlins, eine Stiftung mit dem Namen Deutsches Rheuma-Forschungszentrum (DRFZ) Berlin. Ziel war eine bessere Diagnostik und Therapie sowie eine umfassende Prävention rheumatischer Erkrankungen. Seitdem hat sich das DRFZ zu einem Motor des rheumatologischen Fortschritts entwickelt und sowohl in der Grundlagen-, als auch in der Versorgungsforschung Meilensteine gesetzt.

 
Am 13. Dezember 2008 feiert das DRFZ sein 20jähriges Bestehen und die Aufnahme in die Leibniz-Gemeinschaft zum 1. Januar.2009 mit einem Festakt. Das DRFZ ist dann ein reguläres Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft, der es bisher als assoziiertes Mitglied angegliedert war. Zur Leibniz-Gemeinschaft gehören 82 außeruniversitäre Forschungsinstitute, die gezielt und interdisziplinär Forschungsfragen von hoher gesellschaftlicher Bedeutung bearbeiten.


 

Quelle: Presseinformation des Deutschen Rheuma-Forschungszentrum Berlin vom 11.12.2008.

MEDICAL NEWS

IU School of Medicine researchers develop blood test for anxiety
COVID-19 pandemic increased rates and severity of depression, whether people…
COVID-19: Bacterial co-infection is a major risk factor for death,…
Regenstrief-led study shows enhanced spiritual care improves well-being of ICU…
Hidden bacteria presents a substantial risk of antimicrobial resistance in…

SCHMERZ PAINCARE

Hydromorphon Aristo® long ist das führende Präferenzpräparat bei Tumorschmerz
Sorgen und Versorgen – Schmerzmedizin konkret: „Sorge als identitätsstiftendes Element…
Problem Schmerzmittelkonsum
Post-Covid und Muskelschmerz
Kopfschmerz bei Übergebrauch von Schmerz- oder Migränemitteln

DIABETES

Wie das Dexom G7 abstrakte Zahlen mit Farben greifbar macht…
Diabetes mellitus: eine der großen Volkskrankheiten im Blickpunkt der Schmerzmedizin
Suliqua®: Einfacher hin zu einer guten glykämischen Kontrolle
Menschen mit Diabetes während der Corona-Pandemie unterversorgt? Studie zeigt auffällige…
Suliqua® zur Therapieoptimierung bei unzureichender BOT

ERNÄHRUNG

Positiver Effekt der grünen Mittelmeerdiät auf die Aorta
Natriumaufnahme und Herz-Kreislaufrisiko
Tierwohl-Fleisch aus Deutschland nur mäßig attraktiv in anderen Ländern
Diät: Gehirn verstärkt Signal an Hungersynapsen
Süßigkeiten verändern unser Gehirn

ONKOLOGIE

Strahlentherapie ist oft ebenso effizient wie die OP: Neues vom…
Zanubrutinib bei chronischer lymphatischer Leukämie: Zusatznutzen für bestimmte Betroffene
Eileiter-Entfernung als Vorbeugung gegen Eierstockkrebs akzeptiert
Antibiotika als Störfaktor bei CAR-T-Zell-Therapie
Bauchspeicheldrüsenkrebs: Spezielle Diät kann Erfolg der Chemotherapie beeinflussen

MULTIPLE SKLEROSE

Multiple Sklerose: Aktuelle Immunmodulatoren im Vergleich
Neuer Biomarker für Verlauf von Multipler Sklerose
Multiple Sklerose: Analysen aus Münster erhärten Verdacht gegen das Epstein-Barr-Virus
Aktuelle Daten zu Novartis Ofatumumab und Siponimod bestätigen Vorteil des…
Multiple Sklerose durch das Epstein-Barr-Virus – kommt die MS-Impfung?

PARKINSON

Meilenstein in der Parkinson-Forschung: Neuer Alpha-Synuclein-Test entdeckt die Nervenerkrankung vor…
Neue Erkenntnisse für die Parkinson-Therapie
Cochrane Review: Bewegung hilft, die Schwere von Bewegungssymptomen bei Parkinson…
Technische Innovationen für eine maßgeschneiderte Parkinson-Diagnostik und Therapie
Biomarker und Gene: neue Chancen und Herausforderungen für die Parkinson-Diagnose…