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Moderne Diagnostik und Therapie

Parathormon als Option in der Osteoporosetherapie

 

Berlin (26. Oktober 2007) ‑ Wie erkenne ich behandlungsbedürftige Patienten im Praxisalltag und wann ist welche Therapieoption lohnenswert? Diese Fragen standen im Mittelpunkt des Symposiums „Osteoporose Moderne Diagnostik und Therapie“, das unter Leitung von Dr. Jutta Semler, Berlin, im Rahmen des Deutschen Kongresses für Orthopädie und Unfallchirurgie Ende Oktober in Berlin stattfand (1).

Um das individuelle Gesamtfrakturrisiko eines Patienten abschätzen zu können, müssen neben messtechnischen Befunden wie z. B. der Knochendichte auch individuelle Faktoren berücksichtigt werden. So sind Wirbelkörper-Frakturen ohne traumatische Einflüsse ein starker unabhängiger Risikofaktor für weitere Knochenbrüche. Doch werden 60 bis 70 Prozent aller vertebralen Frakturen klinisch nicht in zeitlichem Zusammenhang mit dem Ereignis erfasst (2) und entsprechend auch nicht behandelt. Viele Osteoporosepatienten erhalten demnach keine ausreichende Therapie zur Verhinderung weiterer Frakturen.

Eine reduzierte Knochenmasse sowie eine gestörte Mikroarchitektur des Knochengewebes sind die Kennzeichen einer Osteoporose, die mit einer erhöhten Fragilität des Knochens und einem gesteigerten Frakturrisiko einhergeht. So können Wirbelbrüche bei einer manifesten Osteoporose schon bei alltäglichen Verrichtungen wie Bücken oder Heben auftreten, bei Frakturen von Arm‑ oder Beinknochen stehen Stürze als Auslöser im Vordergrund.

Ziel jeder Osteoporose‑Therapie ist die Minimierung des Frakturrisikos. Der Vermeidung von Stürzen kommt dabei erhebliche Bedeutung zu. Daher sollten Stürze gründlich abgeklärt werden und mögliche Ursachen wie Stolperfallen (z. B. rutschende Teppiche, unzureichende Beleuchtung), Seh‑ und Gehbehinderungen sowie Gangunsicherheiten z. B. durch Arzneimittel oder Hypoglykämien beseitigt werden.


Das Frakturrisiko im Zusammenhang beurteilen

Zur Bestimmung des Frakturrisikos stehen eine Reihe von diagnostischen Maßnahmen wie Röntgen, Dexa‑Scans, Computertomografie und Sonografie zur Verfügung, sie ermöglichen jedoch nur in limitiertem Umfang eine valide Aussage. Um das individuelle Gesamtfrakturrisiko eines Patienten beurteilen zu können, müssen deshalb neben messtechnischen Befunden auch die individuellen Risiken bestimmt und bewertet werden. Dieser Paradigmenwechsel hat sich auch in den Leitlinien zur Osteoporose von 2006 niedergeschlagen.


Differenziert therapieren

Professor Dr. Dr. Hans Christian Kasperk, Medizinische Universitätsklinik Heidelberg, erklärte die unterschiedlichen Ansätze in der Differenzialtherapie osteoanabol und antiresoptiv: In der Frühphase einer Osteoporose (Krankheitsdauer <2 Jahre) sowie bei Frauen, die an einem Malignom oder einer Malassimilation leiden, sind Antiresorptiva indiziert. Eine osteoanabole Behandlung erhalten dagegen insbesondere Patientinnen im späten Stadium und bei besonderer Schwere der Erkrankung ‑ z.B. Frakturen oder Knochenmasseverlust trotz Antiresorptiva‑Therapie.


Das therapeutische Fenster nutzen

Für eine osteoanabole Behandlung von postmenopausalen Frauen mit einer schweren Osteoporose (hohes Frakturrisiko) steht unter anderem ein langkettiges, rekombinantes Parathormon (1‑84) zur Verfügung, das mit dem körpereigenen Parathormon (PTH) identisch ist und die Knochenbildung über eine Stimulation der Osteoblasten anregt. Parathormon (1‑84), das z.B. als Preotact® im Handel erhältlich ist, führt zu einer Ausdifferenzierung von Osteoblasten und verhindert ihre Apoptose, die Lebenszeit der Osteoblasten wird verlängert. Darüber hinaus werden Oberflächen-Zellen zu Osteoblasten redifferenziert. Insgesamt kommt es damit zu einem vergrößerten Pool osteoblastärer Zellen.

Die Behandlung mit Parathormon steigert den Vernetzungsgrad des trabekulären Knochens ‑ die wichtigste Vorraussetzung um eine höhere Belastbarkeit zu erreichen, so Kasperk. Da eine Dauerexposition gegenüber erhöhten ParathormonSpiegeln ‑ entsprechend einem Hyperparathyreoidismus ‑ zum Knochenverlust führen würde, wird das Hormon intermittierend verabreicht. Kasperk unterstrich, dass mit der Therapiezeit zwischen 18 und 24 Monaten eine optimale Nutzung des anabolen Fensters erreicht wird.


Positive Studiendaten

Die Effektivität einer Therapie mit PTH (1‑84) bestätigt unter anderem die TOPStudie (3) (Treatment of Osteoporose with PTH), eine randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte Vergleichstudie an postmenopausalen Frauen mit niedriger Knochendichte (n=2532). Durch die 18‑monatige Gabe von Parathormon (1‑84) wurde das Risiko für neue oder verschlechterte vertebrale Frakturen im Vergleich zu Placebo um 58 % gesenkt (p=0,001).

Die PaTH‑Studie (4) (Parathyroid Hormone and Alendronate) machte darüber hinaus deutlich, dass Frauen von einer antiresorptiven Anschlusstherapie profitieren können. Eine zwölfmonatige Behandlung mit PTH (1‑84), gefolgt von Alendronat im zweiten Jahr führte zu einem signifikanten Anstieg der Knochendichte über beide Behandlungsjahre (kumulative Zunahme des Flächen‑BMD um 12,1 %, p<0,001). Kasperk zufolge brachte die von Beginn an kombinierte Gabe von Parathormon und Alendronat dem gegenüber keinen Vorteil.


Kalzium, Vitamin D und Bewegungstherapie bilden die Basis

Abschließend betonte Kasperk, dass die Basis jeder Osteoporose‑Behandlung eine Supplementierung von Kalzium und Vitamin D sei und dass das Ergebnis einer Osteoporosetherapie ‑ unabhängig davon, ob mit Bisphosphonaten oder PTH (1‑84) ‑ durch eine komplette Immobilität des Patienten beeinträchtigt wird. Teil jeder Osteoporosebehandlung sollte daher eine intensive Rehabilitation des Patienten sein, mit dem Ziel die Muskelkraft zu stärken.

 

Literatur

  1. Symposium „Osteoporose ‑ Moderne Diagnostik und Therapie“; 26. Oktober 2007, Berlin.

  2. Gehlbach SH et al. Empfohlene Basisdiagnostik, Schattauer Verlag, 2000

  3. Greenspan SL et al. Ann Int Med 2007; 146: 326‑329

  4. Black DM et al. NEJM 2005; 353:555‑565

     

 


Quelle: Symposium der Firma Nycomed zum Thema „Osteoporose – Moderne Diagnostik und Therapie“ am 26.10.2007 in Berlin (tB).

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