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Antibiotika aus Tabak

 

 Tabakpflanzen eignen sich gut zur Produktion von Antibiotika gegen Lungenentzündung. Photo: Max-Planck-Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie.München (1. April 2009) – Wissenschaftlern vom Max-Planck-Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie in Potsdam und dem Institut für Medizinische Mikrobiologie, Virologie und Hygiene der Universität Rostock ist es mit einer neuen Strategie gelungen, von Viren geborgte Gene für die Bildung antibiotisch-wirksamer Eiweiße in Pflanzen zu nutzen. (Proceedings of the National Academy of Science, USA, Early Edition, 31. März 2009)

Während Tabak bisher mit den Attributen gesundheitsschädigend und krebserregend verbunden war, gibt es seit einiger Zeit wissenschaftliche Ansätze, Tabakpflanzen zur Produktion hochwirksamer Medikamente zu nutzen. Solche Ansätze werden unter dem Begriff "Molecular Pharming" oder "Molecular Farming" zusammengefasst und beinhalten die Nutzung von Pflanzen als effizientes biologisches System zur Produktion pharmazeutisch wirksamer Substanzen, wie z.B. Antibiotika. Tabak ist für eine solche Produktion besonders geeignet, da er in kurzer Zeit viel Blattmaterial bildet und keine Nahrungsmittelpflanze darstellt.

Wie in einer früheren Arbeit der Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Ralph Bock1 am Max-Planck-Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie nachgewiesen wurde, können in gentechnisch veränderten Chloroplasten von Tabakpflanzen große Mengen antibiotisch-wirksamer Proteine hergestellt werden. Der Ursprung dieser Proteine liegt in speziellen Viren (Bakteriophagen), die Bakterien befallen, deren Erbgut umprogrammieren, um sich zu vermehren und am Ende das Bakterium auflösen, um freigesetzt zu werden. Die vom Bakteriophagen kodierten Eiweiße, die den Tod des Bakteriums herbeiführen, heißen Lysine.

Um nach der Einschleusung des Bakteriophagengens in den Chloroplasten eine hohe Ausbeute an antibiotisch-wirksamen Proteinen in der Pflanze zu erhalten, muss das Gen zunächst im Laborbakterium Escherichia coli mit molekulargenetischen Methoden für die effiziente Proteinproduktion im Chloroplasten vorbereitet werden. Gleichzeitig muss allerdings verhindert werden, dass das Gen bereits hier, d.h. vor der Übertragung in die Chloroplasten, in Protein übersetzt wird, da sonst das Laborbakterium sofort abgetötet werden würde.

Ralph Bock und seine Mitarbeiter haben eine Methode gefunden, die es ermöglicht, die Gene für die Bildung der Lysine erst im Chloroplasten funktionsfähig werden zu lassen. Diese neu entwickelte Strategie, "Toxin-Shuttle" genannt, beruht auf einem Unterschied beim Ablesen der genetischen Information zwischen Chloroplasten und Bakterien. Im Bakterium werden bestimmte Gensequenzen verwendet (Terminatoren), um das Ende eines Gens anzuzeigen und so den Ablesevorgang (Transkription) an der DNA zu beenden, der zur Bildung einer Boten-RNA (mRNA) führt. Demgegenüber werden diese Terminatoren beim Ablesevorgang in Chloroplasten nicht erkannt, sondern gewissermaßen "überlesen".

Damit die toxischen Genprodukte (antibiotisch-wirkende Proteine) im Bakterium noch nicht gebildet werden können, wurden von den Wissenschaftlern solche Terminatoren eingesetzt, die eine frühzeitige Beendigung des Ablesevorgangs im Bakterium zu bewirken. Da in den Chloroplasten die Information aber vollständig abgelesen wird, kann die Synthese des Lysin-Antibiotikums dort ungehindert ablaufen. Mit einem weiteren molekularen Trick wurden nach dem erfolgreichen Einbringen der neuen Gene in das Genom der Chloroplasten die nun nicht mehr benötigten Terminatoren wieder entfernt, sodass am Ende nur noch die Lysingene als neue genetische Information im Chloroplasten enthalten sind.

"Die Wirksamkeit der in den Chloroplasten produzierten Lysine konnte durch Tests an Bakterienkulturen von Streptococcus pneumoniae, dem Erreger der Lungenentzündung, überzeugend gezeigt werden", erläutert Dr. Bernd Kreikemeyer vom Institut für medizinische Mikrobiologie, Virologie und Hygiene der Universität Rostock die Versuche. Bereits geringe Mengen der Lysine erwiesen sich als hoch wirksam. Der Anteil des Lysins am Gesamtprotein in den Tabakpflanzen betrug bis zu 30 Prozent.

"Die zur therapeutischen Verwendung in Pflanzen gewonnenen antibakteriellen Proteine sind sicherer als Proteine, die direkt aus virusbefallenen Bakterien gewonnen werden. Darüber hinaus muss kein weiterer Reinigungsschritt erfolgen, um die schädlichen bakteriellen Endotoxine zu entfernen", stellt Prof. Ralph Bock die Vorzüge der Antibiotikaproduktion in Pflanzen heraus.

Dank der großen Vielfalt und der hohen Spezialisierung von Bakteriophagen auf bestimmte Bakterien stellen Viren eine nahezu unerschöpfliche Quelle zur Gewinnung neuer antibakterieller Wirkstoffe dar, um der zunehmenden Resistenz von Krankheitserregern gegen herkömmliche Antibiotika entgegen zu wirken.

Im Falle des Tabaks werden mit der gentechnischen Veränderung der Chloroplasten zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: die Antibiotikaproduktion ist sehr hoch, da jede Pflanzenzelle eine große Anzahl an Chloroplasten besitzt, und die Weitergabe der veränderten Erbinformation erfolgt so gut wie nicht über den Pollen der Pflanze, was die biologische Sicherheit der Pflanzen erhöht, wie die Arbeitsgruppe Bock in einer früheren Veröffentlichung2 nachweisen konnte.

Originalveröffentlichungen

M. Oey, M. Lohse, Lars B. Scharff, B. Kreikemeyer, R. Bock (2009)
Plastid production of protein antibiotics against pneumonia via a new strategy for high level expression of antimicrobial proteins
Proc.
Natl. Acad. Sci. USA, Early Edition, 31. März 2009

1 M. Oey, M. Lohse, B. Kreikemeyer, R. Bock (2008)
Exhaustion of the chloroplast protein synthesis capacity by massive expression of a highly stable protein antibiotic
The Plant Journal, 57, 436-445

2 S. Ruf, D. Karcher, R. Bock (2007)
Determining the transgene containment level provided by chloroplast transformation
Proc. Natl. Acad. Sci. USA, 104, 6998-7002

 

Abb. oben: Tabakpflanzen eignen sich gut zur Produktion von Antibiotika gegen Lungenentzündung. Photo: Max-Planck-Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie.

 


 

Quelle: Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Molekulare Pflanzenphysiologie vom 01.04.2009 (tB).

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