MEDIZIN

DOC-CHECK LOGIN

Chirurgie-Ausbildung mit Roboter und Virtueller Realität

 

Bremen (14. Mai 2020) — Das Einsetzen von Hüftimplantaten stellt hohe Anforderungen an Chirurginnen und Chirurgen. Um diese Eingriffe praxisnah trainieren zu können, entwickeln Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Bremen und der Technischen Universität Chemnitz einen dynamischen Hüftplantatsimulator. Die Anwender sehen die Szene in der virtuellen Realität und bedienen dabei OP-Instrumente, die an einen Roboter angeschlossen sind.

Die weltweit steigende Zahl älterer Menschen führt zu einem Anstieg an Hüftimplantationen und anderen Gelenkersatzoperationen. Dadurch wächst auch der Bedarf an gut ausgebildeten orthopädischen Chirurgen, aber das praxisnahe Training dieser Operationen ist sehr schwierig zu realisieren. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Technischen Universität Chemnitz und der Universität Bremen entwickeln daher im Projekt „Dynamic HIPS“, das am 1. Mai gestartet ist, einen dynamischen Hüftimplantatsimulator. Er soll den Ärztinnen und Ärzten für Übungen zur Verfügung stehen und ein realistisches Gefühl für den Eingriff vermitteln.

Im Fokus stehen dabei drei besonders kritische Operationsschritte: das Abtrennen des Hüftgelenkkopfs, das Ausschaben des Oberschenkelknochens und die Implantation des Kunstgelenks. „Die angehenden Chirurgen erhalten durch das System die Möglichkeit, bereits vor ihrer ersten realen OP ein großes Erfahrungswissen zu sammeln“, erklärt Prof. Gabriel Zachmann vom Technologie-Zentrum Informatik und Informationstechnik (TZI) der Universität Bremen. „Auch erfahrene Chirurgen profitieren von diesem Trainingssimulator, zum Beispiel durch das Trainieren von komplizierten, selten durchgeführten Eingriffen.“


Gleiche Sinneswahrnehmungen wie bei einer realen Operation

Operationen werden zur Schonung des Patienten oft in möglichst kleinen Operationsöffnungen durchgeführt. „Dadurch operiert der Chirurg sehr stark nach Gefühl“, erläutert Mario Lorenz von der Professur für Werkzeugmaschinenkonstruktion und Umformtechnik an der TU Chemnitz. „Bei Operationen wie dem Einsatz einer Hüftprothese sind gleichzeitig auch manuelle Tätigkeiten mit hohen Kräften erforderlich. Für den Erfolg der OP ist es sehr wichtig, diese Tätigkeiten so präzise wie möglich auszuführen. Bis jetzt fehlt es aber an Trainingsgeräten, die den Chirurgen genau die gleichen Sinneswahrnehmungen vermitteln können, die sie auch bei einer realen Operation spüren würden, zum Beispiel den Widerstand des Knochens beim Sägen und Ausschaben.“

Das Projekt Dynamic HIPS hat sich daher mehrere Ziele gesetzt, die es ermöglichen, die benötigten Trainingsgeräte zu entwickeln. Die Forscher wollen die Kräfte, Drehmomente und Geschwindigkeiten bestimmen, die bei den drei zu simulierenden Operationsschritten auftreten. Auf dieser Basis wollen sie einen Roboterarm und bestehende Haptikgeräte – das sind Geräte, die realistische Sinneswahrnehmungen vermitteln können – weiterentwickeln. Ebenfalls wichtig ist die Schaffung eines mathematischen Modells, das die Widerstände und den Materialabtrag am Knochen simuliert. Diese Informationen müssen innerhalb einer Millisekunde an den Roboter übermittelt werden, um den Chirurgen ein realistisches Gefühl zu vermitteln.


Experten können aus anderen Teilen der Welt hinzugeschaltet werden

Ein zweites Bündel an Zielen befasst sich mit der VR-Technologie, die das gemeinsame Training über große Distanzen hinweg ermöglicht („Remote-Training“). Mit Hilfe eines Multi-User-Systems können erfahrene Chirurgen ihre medizinische Expertise an auszubildende Chirurgen weitergeben, ohne selbst vor Ort zu sein. Diese Funktionalität erleichtert nicht nur den Transfer von medizinischer Expertise in Schwellen- und Entwicklungsländer, sondern dient auch dem Erkenntnisaustausch zwischen erfahrenen Chirurgen.

Die Forscher stehen vor der Herausforderung, die zeitlichen Verzögerungen bei der Synchronisation von Szenen trotz großer räumlicher Entfernung zwischen den Nutzern zu minimieren, sodass sich beide Chirurgen in einer identischen Situation befinden. Parallel wollen die Wissenschaftler die Interaktion zwischen den Nutzern in der VR-Umgebung stärken, indem sie Möglichkeiten bereitstellen, ohne Worte zu kommunizieren, beispielsweise durch das Zeigen auf virtuelle 3D-Zeichnungen. Darüber sollen Arbeitsschritte künftig aufgezeichnet und mit Audio-Kommentaren unterlegt werden können, um Trainingsvideos zu erstellen.


Umfangreiche Nutzerstudie soll Akzeptanz sicherstellen

An dem Projekt beteiligen sich neben der Universität Bremen und der Technischen Universität Chemnitz auch die Unternehmen FAKT Software GmbH, Haption GmbH, CAT Production GmbH und YOUSE GmbH. Ein Teil des Konsortiums hatte im Vorläuferprojekt HIPS („HüftImplantatPfannenfräsSimulator“) bereits einen Trainingssimulator zum Ausfräsen der Hüftgelenkpfanne entwickelt.

Von medizinischer Seite wird die Entwicklung von der Klinik für Orthopädie, Unfallchirurgie und Plastische Chirurgie des Universitätsklinikums Leipzig, dem Zentrum zur Erforschung der Stütz- und Bewegungsorgane (ZESBO), dem Institut für makroskopische klinische Anatomie der Medizinischen Universität Graz (Österreich) sowie der Medizintechnik-Abteilung des Fraunhofer Instituts für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik (IWU) begleitet.

Das gesamte Entwicklungsvorgehen in Dynamic HIPS erfolgt nutzerzentriert. Orthopädische Chirurgen werden bei der Ausarbeitung der detaillierten Anforderungen sowie zur Gestaltung und Bewertung der Lösungen einbezogen. Die letzte Projektphase umfasst zudem eine umfangreiche Nutzerstudie.

Im Rahmen eines Vorläuferprojekts entwickelten die Projektpartner bereits einen Simulator für das Fräsen von Hüftpfannen. Photo- und Copyright: Viktoria Stoiser

 


Quelle: Technologie-Zentrum Informatik und Informationstechnik, 14.05.2020 (tB).

Schlagwörter:

MEDICAL NEWS

IU School of Medicine researchers develop blood test for anxiety
COVID-19 pandemic increased rates and severity of depression, whether people…
COVID-19: Bacterial co-infection is a major risk factor for death,…
Regenstrief-led study shows enhanced spiritual care improves well-being of ICU…
Hidden bacteria presents a substantial risk of antimicrobial resistance in…

SCHMERZ PAINCARE

Hydromorphon Aristo® long ist das führende Präferenzpräparat bei Tumorschmerz
Sorgen und Versorgen – Schmerzmedizin konkret: „Sorge als identitätsstiftendes Element…
Problem Schmerzmittelkonsum
Post-Covid und Muskelschmerz
Kopfschmerz bei Übergebrauch von Schmerz- oder Migränemitteln

DIABETES

Wie das Dexom G7 abstrakte Zahlen mit Farben greifbar macht…
Diabetes mellitus: eine der großen Volkskrankheiten im Blickpunkt der Schmerzmedizin
Suliqua®: Einfacher hin zu einer guten glykämischen Kontrolle
Menschen mit Diabetes während der Corona-Pandemie unterversorgt? Studie zeigt auffällige…
Suliqua® zur Therapieoptimierung bei unzureichender BOT

ERNÄHRUNG

Positiver Effekt der grünen Mittelmeerdiät auf die Aorta
Natriumaufnahme und Herz-Kreislaufrisiko
Tierwohl-Fleisch aus Deutschland nur mäßig attraktiv in anderen Ländern
Diät: Gehirn verstärkt Signal an Hungersynapsen
Süßigkeiten verändern unser Gehirn

ONKOLOGIE

Strahlentherapie ist oft ebenso effizient wie die OP: Neues vom…
Zanubrutinib bei chronischer lymphatischer Leukämie: Zusatznutzen für bestimmte Betroffene
Eileiter-Entfernung als Vorbeugung gegen Eierstockkrebs akzeptiert
Antibiotika als Störfaktor bei CAR-T-Zell-Therapie
Bauchspeicheldrüsenkrebs: Spezielle Diät kann Erfolg der Chemotherapie beeinflussen

MULTIPLE SKLEROSE

Multiple Sklerose: Aktuelle Immunmodulatoren im Vergleich
Neuer Biomarker für Verlauf von Multipler Sklerose
Multiple Sklerose: Analysen aus Münster erhärten Verdacht gegen das Epstein-Barr-Virus
Aktuelle Daten zu Novartis Ofatumumab und Siponimod bestätigen Vorteil des…
Multiple Sklerose durch das Epstein-Barr-Virus – kommt die MS-Impfung?

PARKINSON

Meilenstein in der Parkinson-Forschung: Neuer Alpha-Synuclein-Test entdeckt die Nervenerkrankung vor…
Neue Erkenntnisse für die Parkinson-Therapie
Cochrane Review: Bewegung hilft, die Schwere von Bewegungssymptomen bei Parkinson…
Technische Innovationen für eine maßgeschneiderte Parkinson-Diagnostik und Therapie
Biomarker und Gene: neue Chancen und Herausforderungen für die Parkinson-Diagnose…