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Der Protein-Code der Schizophrenie
Magdeburg (29. August 2008) – Magdeburger Forscher fanden heraus, dass bei schizophrenen Patienten an den Synapsen im Gehirn eine andere Protein-Zusammensetzung vorliegt als bei Gesunden. Eines dieser veränderten Proteine, Prohibitin, scheint am Entstehen der Krankheit ursächlich beteiligt zu sein.
Im Film "A Beautiful Mind" sagt Russell Crowe als Darsteller des genialen schizophrenen Mathematikers John Nash: "Das ist der Albtraum bei der Schizophrenie. Nicht zu wissen, was wahr ist. Stellen sie sich vor, sie würden plötzlich erfahren, dass die Menschen und die Orte und die Momente, die ihnen am wichtigsten sind, nicht nur weg, nicht tot wären, sondern noch viel schlimmer: nie existiert hätten. Was für eine Hölle wäre das?"
Schizophrenie ist etwa so häufig wie Diabetes: ca. ein Prozent der Bevölkerung erkrankt daran. Doch während Diabetes als gut behandelbare Stoffwechselkrankheit mit klar verstandener Ursache und guter Therapierbarkeit gilt, wird Schizophrenie als die dunkle Seite der Seele gefürchtet: Unverständnis, Stigma, und soziale Isolation der Patienten sind die Folge. Das hat vor allem mit der nach wie vor unklaren Entstehung der Krankheit zu tun. Genetische Veranlagung, psychische und soziale Faktoren tragen dazu bei, doch was geschieht genau im Gehirn?
Wie das US-Journal "Molecular Psychiatry" in seiner September-Ausgabe berichtet*, gelang jetzt einer Gruppe Magdeburger Neurobiologen um Dr. Michael Kreutz vom Leibniz-Institut für Neurobiologie ein echter Durchbruch bei der gezielten Suche nach molekularen Veränderungen in den Hirnen von Schizophrenie-Patienten. Ihre Hypothese: Schizophrenie ist eine Erkrankung der Nervenzellkommunikation, also der synaptischen Übertragung, die sich in einer veränderten Zusammensetzung der Synapsen äußert. In Zusammenarbeit mit Profs. Bernhard Bogerts und Hans-Gerd Bernstein von der Universitätsklinik für Psychiatrie Magdeburg sowie mit Amsterdamer Proteomics-Spezialisten verglichen sie die Muster und Mengen von mehr als 1000 Proteinen in post mortem Gewebeproben von Schizophrenen und Kontroll¬personen. Dabei wurden 35 Proteine identifiziert, die im Frontalhirn der Kranken viel stärker an den synaptischen Kontaktstellen der Nervenzellen angereichert waren als bei den Gesunden, das heißt, die ?molekulare Ausstattung? der Synapsen ist deutlich verändert.
Eines dieser Proteine, Prohibitin, erregte die besondere Aufmerksamkeit der Magdeburger Neurobiologen, weil sie es auch in einem anderen Experiment identifizierten: bei Ratten, die durch das Narkosemittel Ketamin eine Schizophrenie-ähnliche Psychose entwickelt hatten, ist ebenfalls deutlich mehr Prohibitin an den Synapsen der Großhirnrinde konzentriert als bei ihren gesunden Artgenossen.
Abb.: Schizophrene Neuronen-Architektur? Wenn Nervenzellen (im Bild grün dargestellt) vermehrt das Protein Prohibitin enthalten, ändern sie ihre Struktur: die für die Zellkommunikation wichtigen Fortsätze schrumpfen und die synaptischen Kontaktstellen nehmen irreguläre Formen an (rote Pünktchen im Bildausschnitt). Links: normale Nervenzelle, rechts: Zelle mit Prohibitin-Überschuss. Bildquelle: IfN Magdeburg.
Was also bewirkt dieses Protein an den synaptischen Kontaktstellen? Um dem genauen Mechanismus auf die Spur zu kommen, untersuchten Dr. Kreutz und sein Team isolierte Nervenzellen, die künstlich mehr Prohibitin enthalten, und fanden dort massive Veränderungen, wie man sie aus dem anatomischen Studium schizophrener Gehirne bereits seit langem kennt: die Zellen haben viel kürzere und dünnere Dendriten, und die Struktur der Kontaktstellen auf den Dornenfortsätzen selbst ist ebenfalls abnorm.
Das heißt, das Protein Prohibitin könnte tatsächlich an der Entstehung der schizophrenen Erkrankung ursächlich beteiligt sein und einen Schlüssel darstellen, um den molekularen Code der Schizophrenie vielleicht in nicht so ferner Zukunft zu knacken.
PD Dr. Constanze Seidenbecher
*Originalpublikation: Smalla et al., Mol Psychiatry 13: 878-896, 2008.
Weitere Informationen: http://www.ifn-magdeburg.de
Quelle: Pressemitteilung des Leibniz-Instituts für Neurobiologie (IfN) vom 29.08.2008.