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Deutsche Gesellschaft für Nephrologie
Regeneration erkrankter Nieren: Systematischer Überblick über die Forschung zur Regeneration
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Prof. Dr. Christian Hugo, Dresden, Tagungspräsident
Berlin (8. September 2014) – Was die Nephrologie seit Jahren beschäftigt, ist die Entwicklung und Optimierung von Nierenersatzverfahren. In den vergangenen 50 Jahren konnten dabei große Fortschritte erzielt werden, die Dialyse ermöglicht derzeit knapp 80.000 Menschen in Deutschland ein Überleben trotz terminalem Nierenversagen, einer vor der Ära der Dialyse- und Transplantationsmedizin binnen weniger Tage oder Wochen zum Tode führenden Erkrankung. Die Nephrologie der Zukunft wird jedoch ein neues Ziel verfolgen: die Regeneration kranker Nieren. Es geht nicht mehr um einen mehr oder weniger guten Ersatz der verlorenen Organfunktion, sondern um ihre Rückgewinnung. Sogar um das „Nachwachsen“ von gesundem Nierengewebe. Das klingt nach „Science Fiction“ – und in der Tat ist es bis dahin noch ein sehr weiter Weg. Die Grundlagenforschung hat in den vergangenen Monaten aber vielversprechende Ergebnisse geliefert und die Weichen dafür gestellt, dass diese Vision einmal Realität werden kann. Weltweit arbeiten verschiedene Arbeitsgruppen an dem Ziel, Nierengewebe zu regenerieren und verfolgen dabei verschiedene Ansätze:
Von Organismen wie z.B. Fischen und Reptilien lernen, die auch im Erwachsenenalter Regeneration „können“
Während beim Menschen und anderen Säugetieren die Neubildung von Organen oder deren Einheiten (bei der Niere „Nephrone“) nach der Geburt unmöglich ist, zeigten 2011 Diep et al. [1], dass die Nieren von erwachsenen Zebrafischen über Selbsterneuerungs-Stamm- bzw. Progenitorzellen verfügen, die die komplette Neubildung von Nephronen nach einer Schädigung initiieren können. Die Transplantation von nur 10-30 dieser Zellen reicht aus, um eine Vielzahl an Nephronen zu generieren. Dabei arbeiten verschiedene Progenitorzellen am Aufbau eines Nephrons mit. Die Identifizierung von ähnlichen Vorläuferzellen bei Säugetieren und ein anschließendes „Zell-Engineering“ könnten den Weg für die Entwicklung regenerativer Nierentherapien weisen, wie die Autoren dieses wichtigen Grundlagen-Papers betonten.
Neues Nierengewebe in vitro züchten: Erfolgreiche Manipulation von embryonalen oder induzierten pluripotenten Stammzellen
Anfang dieses Jahres erschien die erste Arbeit [2], die zeigte, dass eine Differenzierung embryonaler Stammzellen in der Kulturschale so induziert werden kann, dass verschiedene Nieren-spezifische Vorläuferzellen und eine sich selbst organisierende Nierenstruktur, inklusive der Bildung von Nephronen, entstehen kann. Die Arbeit mit embryonalen Stammzellen ist jedoch ethisch bedenklich.
Shin´Ya Yamanaka erhielt 2012 den Nobelpreis für die Entdeckung, dass jede ausgereifte Zelle (z.B. eine Hautzelle) in eine Stammzelle umgewandelt werden kann. Bereits einige Jahre zuvor war es ihm gelungen, sogenannte induzierte pluripotente Stammzellen (iPS) durch künstliche Reprogrammierung mit Hilfe von nur 4 Faktoren aus normalen Körperzellen zu erzeugen. 2014 wurde erstmals eine Arbeit [3] publiziert, die zeigte, dass aus menschlichen Hautzellen, sogenannte iPS und dann weiter Nieren-spezifische Stammzellen in der Petrischale entwickelt werden können, die dann Nierentubulusstrukturen bilden.
Wie weit dieser Ansatz tatsächlich führen kann, wurde bereits 2012 [4] gezeigt. Wenn man ganz frühe, sich noch im Embryonalstadium befindliche Nieren entnimmt und aus diesen unreifen Organen die Zellen löst und in Kultur bringt, kann man nahezu alle Schritte der Nierenentwicklung aus diesen Einzelzellen nachbilden und komplette „Nierenorganoide“ mit einer gewissen Funktionsfähigkeit in den lebenden Organismus zurückbringen/transplantieren.
Bioreaktoren für Organkulturen: „Kernsanierung“ einer kranken Niere oder „Vermenschlichung“ z.B. einer Schweineniere
Ein weiterer Ansatz zur Regeneration des Organs ist die komplette Dezellularisierung der Niere bis auf die Matrix gefolgt von der anschließenden Rezellularisierung mit gesunden Zellen und weitere Zucht in einem sogenannten Bioreaktor. Song et al. [5] konnten 2013 im Tierexperiment zeigen, dass das Prinzip funktioniert, z.B. eine Rattenniere zu dezellularisieren und dann wieder mit menschlichen Zellen in Kultur wiederaufzubauen, zu „humanisieren“: Die auf diese Weise neu aufgebaute Niere einer Ratte nahm nach Transplantation in das Tier gewisse Teilfunktionen wieder auf.
Identifizierung und Beeinflussung von adulten Stammzellen während der Nierenerkrankung
Der komplette Wiederaufbau einer Niere wäre gar nicht nötig, wenn man während des Erkrankungsprozesses die regenerativen Prozesse in der Niere so steuern/stimulieren könnte, dass es anstatt eines Fortschreitens der Erkrankung zu einer Ausheilung käme. Hierzu wäre aber der adäquate Ersatz von Strukturen und Zellen durch adulte Stamm- oder Vorläuferzellen nötig. Für die unterschiedlichen Zellen und Strukturen der Niere existieren unterschiedliche Ergebnisse und Theorien hinsichtlich der Reparaturmechanismen und der Rolle von Vorläuferzellen. In gesonderten Sessions im Rahmen dieses Kongresses werden die neuesten Ergebnisse [6, 7, 8] berichtet werden, wie einerseits der hochdifferenzierte Podozyt oder andererseits das Mesangium oder Endothel der Niere durch spezifische Vorläuferzellen aus der Zirkulation oder lokal aus der Niere selbst regeneriert werden kann. Hierbei spielen Renin-stämmige Vorläuferzellen offensichtlich eine besondere Rolle. Für die Tubuluszellen war lange unklar, ob jede Tubuluszelle selbst ein „Regenerationsprogramm“ starten kann oder ob nur bestimmte, spezialisierte Tubuluszellen, die sogenannten „scattered tubular cells“ dazu in der Lage sind [9].
Diese Erkenntnisse über die sogenannte adulte Stammzellnischen der Niere könnten dazu beitragen, zukünftig die bei Nierenerkrankungen gestörten Reparaturmechanismen so zu manipulieren, dass auch hier eine Regeneration und Ausheilung der Erkrankung möglich ist.
Literatur
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Diep CQ, Ma D, Deo RC et al. Identification of adult nephron progenitors capable of kidney regeneration in zebrafish. Nature 2011; 470(7332): 95-100
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Takasato M, Er PX, Becroft M et al. Directing human embryonic stem cell differentiation towards a renal lineage generates a self-organising kidney. Nat Cell Biol 2014; 16(1): 118-26
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Lam AQ, Freedman BS, Morizane R et al. Rapid and efficient differentiation of human pluripotent stem cells into intermediate mesoderm that forms tubules expressing kidney proximal tubular markers. J Am Soc Nephrol; 25(6): 1211-25
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Xinaris C, Benedetti V, Rizzo P et al. In vivo maturation of functional renal organoids formed from embryonic cell suspensions. J Am Soc Nephrol 2012; 23(11): 1857-68
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Song JJ, Guyette JP, Gilpin SE et al. Regeneration and experimental orthotopic transplantation of a bioengineered kidney. Nat Med 2013; 19(5): 646-51
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Starke C, Beetz H, Hickmann L et al. Renin-stämmige Zellen sind adulte Vorläuferzellen des Mesangiums bei Mesangialzellschädigung. DGfN Kongress 2014; Abstract FV11
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Hickmann L, Sradnick J, Starke C et al. Evidence for the existence of a precursor pool for renin-producing cells. DGfN Kongress 2014; Abstract FV12
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Sradnick J, Rong S, Lüdemann A et al. Die Regeneration eines Endothelzellschadens in der Mausniere erfolgt ohne die Rekrutierung von Zellen aus einer extrarenalen Stammzellnische. DGfN Kongress 2014; Abstract P027
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Berger K, Bangen JM, Hammerich L et al. Origin of regenerating tubular cells after acute kidney injury. PNAS 2014; 28; 111(4):1533-8
Quelle: Deutsche Gesellschaft für Nephrologie, 08.09.2014 (tB).