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Actelion_LogoDigitale Ulzerationen bei systemischer Sklerose (SSc)

Versorgungsforschung zeigt: Prävention neuer Digitaler Ulzerationen kommt zu kurz

Frankfurt am Main (29. November 2016) – Rund die Hälfte der SSc-Patienten mit digitalen Ulzera erhält, selbst nach mehrfachem Auftreten der Ulzerationen, keine Präventionstherapie. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Versorgungsstudie [1]. „Damit wird ein beträchtlicher Teil der Patienten nicht nach Experten-Empfehlungen behandelt“, warnt Studienautorin Prof. Dr. Gabriela Riemekasten, Lübeck, während einer Presseveranstaltung von Actelion Deutschland. Nach den EUSTAR*-Empfehlungen [2, 3], die 2015 beim Kongress der EULAR** vorgestellt wurden, soll der orale, duale Endothelin-Rezeptor-Antagonist Bosentan (Tracleer®), das einzige zur Prävention digitaler Ulzerationen zugelassene Medikament [4], bei Patienten mit digitalen Ulzerationen eingesetzt werden. „Die Wirksamkeit von Bosentan zur Prävention von Fingergeschwüren sehen wir in unserer Untersuchung eindeutig bestätigt“, so Riemekasten weiter. Wie essenziell eine Akut- und Präventionstherapie dieser schmerz-haften und schlecht heilenden Geschwüre an Fingern und Zehen für die Betroffenen ist, berichtet Patientin Eva Schulze, Darmstadt, eindrucksvoll. „Jede digitale Ulzeration, die verhindert werden kann, zählt“, bringt es Prof. Dr. Nicolas Hunzelmann, Köln, im Hinblick auf die Schilderung der Patientin auf den Punkt. Es sei unbestritten, dass sich die Behandlung SSc-assoziierter Fingergeschwüre in den letzten Jahren enorm entwickelt habe, nun sei es allerdings von Nöten, der Prävention einen höheren Stellenwert im Management dieser Manifestation einzuräumen, sind sich die Referenten einig.

Für die retrospektive Studie zur Versorgungsforschung in Deutschland [1] wurden die Behandlungsgewohnheiten von 83 Ärzten zur Therapie und Prävention von SSc-assoziierten Fingergeschwüren erfragt. Zusätzlich wurden 161 Kasuistiken von SSc-Patienten mit digitalen Ulzerationen analysiert. Das Studienziel war es, mehr Klarheit über den Einsatz zugelassener Medikamente und die Umsetzung von Behandlungsempfehlungen in der Praxis zu erhalten. Im Ergebnis zeigte sich: Insgesamt werden zur Therapie akuter Fingergeschwüre und deren Prävention vor allem topische Therapien, Kalziumkanalblocker, Iloprost und ERA eingesetzt. In Phasen ohne aktive Ulzera, wenn das Therapieziel die Prävention neuer Ulzera war, wurde zu 57 Prozent Bosentan in Mono- oder Kombinationstherapie eingesetzt. „Das ist sinnvoll, denn Therapieschemata mit Bosentan verlängerten die Präventionsphasen im Mittel um 90 Tage und stabilisierten die Zahl neuer Fingergeschwüre im Vergleich zu Therapieregimen ohne Bosentan“, fasst Riemekasten zusammen. Allerdings – so ein weiteres Resultat der Studie – scheint die Prävention neuer digitaler Ulzerationen in der Therapieplanung geringere Priorität zu haben. Denn rund 50 Prozent der Patienten erhalten auch nach drei oder mehr Akutphasen keine Präventionstherapie gemäß den Therapieempfehlungen [2, 3].


DNSS-Register bestätigt: Prävention digitaler Ulzerationen spielt geringe Rolle

Der geringere Stellenwert der Prävention wird durch eine aktuelle Auswertung des Patientenregisters des Deutschen Netzwerkes für Sklerodermie (DNSS) [5] bestätigt. Analysiert wurde bei über 3.000 Patienten, die an verschiedenen Vaskulopathien (u. a. Fingergeschwüren) infolge der SSc litten, inwieweit sie mit vasoaktiven Substanzen (z. B. ERA) behandelt wurden. Es zeigte sich, dass dies zwar bei 76 Prozent der Patienten der Fall war, dass davon jedoch nur 11 Prozent mit dem einzigen zur Prävention zugelassenen und empfohlenen Medikament Bosentan behandelt wurden. Die Gründe, warum die Therapie nicht eingesetzt wird, sind sehr unterschiedlich. Hier spielen sowohl patienten-individuelle Faktoren, wie Komorbiditäten, oder auch der individuelle Wunsch des Patienten eine Rolle, möglicherweise auch die Symptomfreiheit in der Präventionsphase. Doch das ist trügerisch, denn digitale Ulzerationen sind keine Bagatelle, wie der Blick auf den Alltag der Betroffenen zeigt.


Digitale Ulzerationen – erhöhte Morbidität und starker psychischer Druck

Sich anziehen, kochen oder einfach nur auf dem Computer tippen – alles wird zur Qual, wenn man die Hände nicht benutzen kann“, beschreibt Patientin Eva Schulze ihre täglichen Herausforderungen. „Oft bin ich bereits bei einfachen Tätigkeiten, wie z. B. Türen aufschließen, Tabletten aus der Blisterverpackung herausdrücken oder beim Öffnen von Verpackungen auf Hilfe angewiesen. Meinen Alltag nicht immer selbstbestimmt gestalten zu können, das belastet und bedrückt schon sehr“, so Schulze weiter. Bei rund 60 Prozent der SSc- Patienten treten die äußerst schmerzhaften Fingergeschwüre im Krankheitsverlauf mindestens einmal auf [6, 7]. Bei der Mehrzahl der Patienten kommen sie sogar wiederholt vor und können zum * European Scleroderma Trials and Research ** European League Against Rheumatism

Verlust der Handfunktion, Infektionen und Gangrän, Kranken-hausaufenthalten und Amputationen führen. Darüber hinaus erleben die Patienten die sichtbaren Ulzerationen als stigmatisierend und psychisch beeinträchtigend. Darauf verweist die Arbeit von Mouthon, in der der Einfluss von Fingergeschwüren auf verschiedene Lebensqualitätsaspekte bei Patienten mit SSc untersucht wurde. So gaben SSc-Patienten mit digitalen Ulzerationen auf der von 0 bis 10 reichenden Skala für ästhetische Belastung mit 6,1 eine deutlich höhere Beeinträchtigung in ihrem ästhetischen Selbstempfinden an als SSc-Patienten ohne digitale Ulzera (3,9) [8]. Patienten müssen verstärkt Einbußen in ihrem körperlichen Integritätsgefühl, ihren Beziehungen zu anderen Menschen und in ihrem mentalen Wohlbefinden hinnehmen. Und damit nicht genug – digitale Ulzerationen sind die (sichtbare) Spitze des Eisberges der zugrunde liegenden Vaskulopathie. Die Auswertung des spanischen SSc-Registers [9] zeigt das deutlich: diese Patienten haben ein erhöhtes Morbiditäts- und Mortalitätsrisiko im Vergleich zu der Patienten-gruppe ohne digitale Ulzerationen.


Bosentan wirkt ganzjährig präventiv

„Auf diesem Hintergrund ist die adäquate, frühestmögliche und konsequente Therapie – insbesondere zur Prävention neuer digitaler Ulzerationen – eine Notwendigkeit“, so Hunzelmann. Auch wenn die Beschwerden im Herbst und Winter durch die kalte Witterung stärker als in den wärmeren Monaten sind – Fingergeschwüre sind ein ganzjähriges Problem, denn die zugrunde liegende Vaskulopathie schreitet unbehandelt saison-unabhängig fort und bildet die Basis für neue Ulzera. Pathophysiologisch maßgeblich für die Vaskulopathie ist das Neuropeptid Endothelin, der stärkste körpereigene Vasokonstriktor. So findet sich bei SSc-Patienten ein erhöhter Endothelin-Spiegel, was die Rationale für den therapeutischen Einsatz des ERA Bosentan (Tracleer®) bei SSc-induzierten Fingergeschwüren ist. In den Zulassungsstudien RAPIDS-1 und RAPIDS-2 [10, 11] konnte nachgewiesen werden, dass die Behandlung mit Bosentan die Anzahl neuer digitaler Ulzerationen im Vergleich zu Placebo deutlich reduziert. Die Teilnehmer in der Verum-Gruppe der randomisierten, prospektiven, placebo-kontrollierten, doppelblinden RAPIDS-1-Studie erhielten Bosentan 62,5 mg zweimal täglich für vier Wochen gefolgt von 125 mg zweimal täglich für weitere 12 Wochen. Der primäre Studienendpunkt war die Anzahl neuer digitaler Ulzera während League Against Rheumatism der Studiendauer von insgesamt 16 Wochen. Die Patienten in der Bosentan-Gruppe entwickelten im Vergleich zur Placebo- Gruppe signifikant weniger neue digitale Ulzera (1,4 vs. 2,7; p = 0,0083). Besonders profitierten dabei die Patienten, die bereits bei Studienbeginn digitale Ulzera aufwiesen (1,8 vs. 3,6; p = 0,0075) [s. Abb. 1].

Mit der RAPIDS-2-Studie konnten die Ergebnisse von RAPIDS-1 bestätigt werden. Nach einer Studiendauer von 24 Wochen wiesen die mit Bosentan behandelten Patienten signifikant weniger digitale Ulzera auf als die Patienten der Placebo- Gruppe (1,9 vs. 2,7; p = 0,035) [s. Abb. 2].

Abb. 1 [mod. nach 10] * European Scleroderma Trials and Research ** European League Against Rheumatism

Abb. 1 [mod. nach 10]  

Abb. 2 [mod. nach 11]

Abb. 2 [mod. nach 11]


Über systemische Sklerose und digitale Ulzerationen

Die chronische Autoimmunerkrankung SSc manifestiert sich durch ausgedehnte Bindegewebsverhärtungen in der Haut, in den inneren Organen, wie z. B. im Gastrointestinaltrakt, in den Nieren, im Herzen und in der Lunge. Hinzu kommt eine progressive Vaskulopathie. Die zu Grunde liegenden Pathomechanismen umfassen Gefäßschädigungen, Entzündungen und eine fortschreitende Fibrose, die zu mikrovaskulären Verschlüssen führen. Die Betroffenen werden häufig sowohl in ihrer Lebenserwartung als auch in ihrer Lebensführung massiv eingeschränkt. Denn charakteristisch für die Erkrankung ist das Auftreten zahlreicher und oftmals schwerwiegender Komplikationen an der Haut, den Extremitäten und an lebenswichtigen inneren Organen. Schmerzen, Funktionseinschränkungen bzw. -versagen und Behinderungen sind die Folgen, so auch bei einer der häufigsten Komplikationen, den digitalen Ulzerationen.


Anmerkungen

  • * European Scleroderma Trials and Research
  • ** European League Against Rheumatism


Literatur

  1. Riemekasten G et al. Z Rheumatol 2016; DOI 10.1007/s00393-016 -0177-0
  2. Kowal-Bielecka O et al. Ann Rheum Dis 2015; 74:90
  3. Kowal-Bielecka O et al. Ann Rheum Dis 2009; 68:620-628
  4. Fachinformation Tracleer® August 2015
  5. Moinzadeh P et al. J Rheumatol 2016; 43: 66-74
  6. Steen V et al. Rheumatol 2009; 48 (Suppl 3):iii 19-24
  7. Sunderkotter C et al. Br J Derm 2009;160 (4):835-843
  8. Mouthon L et al. Ann Rheum Dis 2010; 69:214-217
  9. Tolosa-Vilella C et al. Seminars in Arthritis and Rheumatism 2016, pub: http://dx.doi.org/10.10.1016/j.semarthrit.2016.04.007
  10. Korn JH et al. Arthritis Rheum 2004; 50:3985 – 3993
  11. Matucci-Cerinic M et al. Ann Rheum Dis 2011; 70(1):32-38


ACTELION LTD

Actelion Ltd. ist ein führendes biopharmazeutisches Unternehmen, das sich auf die Entdeckung, Entwicklung und Vermarktung innovativer Medikamente für Krankheiten mit hohem medizinischem Bedarf konzentriert. Actelion ist wegweisend auf dem Gebiet der pulmonal arteriellen Hypertonie (PAH). Das PAH-Portfolio des Unternehmens deckt das Krankheitsspektrum der WHO-Funktionsklassen II bis IV ab und umfasst Medikamente zur oralen, inhalierbaren und intravenösen Therapie. Actelion verfügt zudem über behördlich zugelassene, jedoch nicht in allen Ländern erhältliche, Therapien für eine Reihe von Krankheiten, die durch Spezialisten behandelt werden. Hierzu zählen Typ-1-Gaucher-Krankheit, Niemann-Pick-Krankheit Typ C, digitale Ulzerationen bei Patienten mit systemischer Sklerose sowie Mycosis fungoides vom Typ kutanes T-Zell-Lymphom.

Das Unternehmen wurde Ende 1997 gegründet und beschäftigt inzwischen über 2.400 engagierte Fachkräfte. Actelion ist in allen wichtigen Märkten der Welt präsent, darunter Europa, die USA, Japan, China, Russland und Mexiko. Der Hauptsitz des Unternehmens befindet sich in Allschwil / Basel, Schweiz.

Actelion Aktien werden an der SIX Swiss Exchange als Titel des Blue- Chip-Index SMI (Swiss Market Index SMI®) gehandelt (Symbol: ATLN). Alle Markennamen sind rechtlich geschützt.
 


Quelle: Actelion, 29.11.2016 (tB).

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