MEDIZIN
AWARDS
Forschergeist gefragt: 14. Novartis Oppenheim-Förderpreis für MS-Forschung ausgelobt
FernstudiumCheck Award: Deutschlands beliebteste Fernhochschule bleibt die SRH Fernhochschule
Vergabe der Wissenschaftspreise der Deutschen Hochdruckliga und der Deutschen Hypertoniestiftung
Den Patientenwillen auf der Intensivstation im Blick: Dr. Anna-Henrikje Seidlein…
Wissenschaft mit Auszeichnung: Herausragende Nachwuchsforscher auf der Jahrestagung der Deutschen…
VERANSTALTUNGEN
Wichtigster Kongress für Lungen- und Beatmungsmedizin ist erfolgreich gestartet
Virtuelle DGHO-Frühjahrstagungsreihe am 22.03. / 29.03. / 26.04.2023: Herausforderungen in…
Pneumologie-Kongress vom 29. März bis 1. April im Congress Center…
Die Hot Topics der Hirnforschung auf dem DGKN-Kongress für Klinische…
Deutscher Schmerz- und Palliativtag 2023 startet am 14.3.
DOC-CHECK LOGIN
Kardiovaskuläre Komplikationen bei Patienten mit chronischer Nierenerkrankung
Von Prof. Dr. Jan Galle, Lüdenscheid
Berlin (26. März 2008) — Mediasklerose, Sekundärer Hyperparathyreoidismus, Entzündung und AnämieKardiovaskulärer Ereignisse – auch mit Todesfolge – treten bei niereninsuffizienten Menschen gehäuft auf. Über 50 % (Gemäß www.quasi-niere.de ) aller Todesfälle von Dialysepatienten im Jahr 2005 waren kardial oder vaskulär bedingt. Als wesentliche Ursache für das gehäufte Auftreten kardiovaskulärer Ereignisse in dieser Patientenklientel gilt eine spezielle Form der Gefäßverkalkung, die Mediasklerose. Sie entwickelt sich häufig bei Patienten mit chronischer Nierenerkrankung zusätzlich zur „normalen“ Gefäßverkalkung (Arteriosklerose), die wiederum durch die bekannten Risikofaktoren Bluthochdruck, Diabetes, Rauchen, Fettstoffwechsel-störungen, Übergewicht und Bewegungsmangel massiv verstärkt wird.
Als ein wesentlicher Katalysator gilt jedoch der sekundäre Hyperparathyreoidismus (sHPT), der eine häufige Folge- oder Begleiterkrankung der chronischen Niereninsuffizienz ist. Man geht davon aus, dass etwa 80 % der Patienten mit einem Kreatininwert über 5 mg/dl [440 μmol/l] einen sHPT entwickeln.Die Erkrankung beginnt aber schon viel früher: Ab einem Kreatininwert von etwa 1,8 mg/dl ist die Sekretion des Parathormons (PTH) gesteigert. Niereninsuffiziente Patienten können nur noch vermindert Phosphat ausscheiden, was zu einem dauerhaft erhöhten Phosphatspiegel führt. Durch diese erhöhte Phosphatkonzentration wird freies Kalzium komplex gebunden, was zur Folge hat, dass der Kalziumspiegel sinkt. Außerdem bilden die kranken Nieren zu wenig aktives Vitamin D. Dies führt zu einer verminderten Kalziumaufnahme im Darm. Durch den permanenten Kalziummangel werden die Nebenschilddrüsen aktiviert und schütten vermehrt PTH aus, um den Kalziumspiegel anzuheben. Das ausgeschüttete Hormon stimuliert die Freisetzung von Kalzium und Phosphat aus den Knochen. Das kann im Laufe der Zeit jedoch zu einem Abbau der Knochensubstanz mit erheblichen Auswirkungen auf das Skelettsystem führen, bis hin zu pathologischen Frakturen. Das Problem beim sHPT ist, dass die Nebenschilddrüsen ihre Fähigkeit zur Regulierung verlieren – und de facto „verrückt spielen“. D.h. auch wenn der Kalziumspiegel im Blutserum aufgrund des sHPT hoch ist und die PTH-Ausschüttung eigentlich eingestellt werden könnte, produzieren die Nebenschilddrüsen weiterhin PTH. Es ist, als wäre ein Perpetuum Mobile angestoßen: Unkontrolliert und endlos werden Kalzium und Phosphat aus den Knochen herausgelöst. Neben den Folgen am Knochen – die Patienten bilden eine manifeste Osteoporose aus – hat der Kalzium- und Phosphatüberschuss im Blut auch schwerwiegende Auswirkungen auf das kardiovaskuläre System und damit auch auf das Überleben der Patienten. Die hohen Kalzium- und Phosphatkonzentrationen forcieren das Fortschreiten der Mediasklerose, da sich die Kalzium-Phosphatverbindungen offensichtlich in den Gefäßen und Weichteilen absetzen. Der sHPT, der wie beschrieben den gestörten Mineralstoffmetabolismus nach sich zieht, gilt als eine der Hauptursachen für die gefährliche Mediasklerose. Und da zu hohe Phosphat-, Kalzium- oder PTH-Werte mit einem deutlich erhöhten Mortalitätsrisiko korrelieren, definieren internationale Richtlinien Zielwerte für die einzelnen Mineralstoffparameter. Wichtigste Herausforderung der Nephrologie ist, möglichst viele Patienten mit allen Werten in die definierten Zielbereiche zu bringen, was jedoch trotz verschiedener medikamentöser Therapien (Phosphatbinder und „PTH-Senker“ wie Kalzimimetika oder Vitamin-D-Analoga) in der Praxis schwierig ist.
Die K/DOQI-Leitlinien setzen folgende Werte fest: Doch die hohe kardiovaskuläre Mortalität von Dialysepatienten ist nicht allein dem sHPT zuzuschreiben – auch erhöhte Entzündungsparameter spielen offensichtlich eine Rolle. Insbesondere das C-reaktive Protein (CRP) ist mehr als „nur“ ein Marker für Entzündungen und Infekte, in den letzten Jahren hat es sich zunehmend auch als Prädiktor für kardiovaskuläre Erkrankungen etabliert. Eine Studie[1], die über 28.000 gesunde, postmenopausale Patientinnen einschloss, wies bei den Studien-Teilnehmerinnen mit den höchsten CRP-Werten ein um den Faktor 4,4 erhöhtes relatives Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse nach. Aufgrund zahlreicher Nachfolgestudien empfiehlt die American Heart Association seit 2003, bei der Risikoevaluation für koronare Herzerkrankungen neben etablierten Werten wie Hypertonie, Hyperlipidämie oder Rauchen auch das CRP mit aufzunehmen.
Galten früher Werte unter 5 mg/l als klinisch irrelevant, weil nicht hinweisend auf Infektionen, so werden heute Werte zwischen 2 und 5 mg/l als Zeichen eines erhöhten Herz-Kreislauf-Risikos eingeschätzt. Dialysepatienten haben im Vergleich zur Normalbevölkerung ein ständig – durchschnittlich sogar um das Zehnfache – erhöhtes CRP. Allein 35-45 % der Patienten befinden sich im Stadium einer manifesten Inflammation – mit CRP-Werten zwischen 5 und 50 mg/l. Verschiedene Studien weisen gerade bei diesen Patienten auf eine Korrelation zwischen CRP-Werten und Mortalität hin [2]. Auch die Verbindung zwischen Inflammation und der Mediasklerose [3] gilt als nachgewiesen. Ein Problem ist allerdings die hohe Variabilität des CRP – so gibt es intraindividuelle Schwankungen von bis zu 42 %, was die Zuverlässigkeit des CRP-Wertes als Prädiktor beeinträchtigen kann [4]. Serum-iPTH: 150-300 pg/ml Serum-Kalzium: 8,4 – 9,5 mg/dl Serum-Phosphat: 3,5 – 5,5 mg/dl Kalzium-Phosphat-Produkt: < 55 mg2/dl2 Die Erkenntnisse werfen neue Fragen auf: Kann eine therapeutische CRP-Senkung auch zu einer Verminderung des kardiovaskulären Risikos führen? Ist die Hemmung der Inflammation somit eine geeignete Präventions- und Interventionsmaßnahme gegen kardiale Ereignisse?
Auch besteht offensichtlich ein Zusammenhang zwischen hohen CRP-Spiegeln und der Anämie. Eine Studie [5] von 2002 zeigte, dass hohe CRP-Werte im Prädialysestadium mit einem schlechteren Ansprechen auf die Anämietherapie mit Erythropoetin („EPO“) assoziiert sind. Die renale Anämie per se ist ebenfalls ein kardialer Risikofaktor und sollte auf jeden Fall therapiert werden. Den großen Anämiestudien vom letzten Jahr – CHOIR [6] und CREATE [7] – zufolge, sollte aber eine Hb-Überkorrektur vermieden werden und lediglich Werte zwischen 11 und 13 g/dl angestrebt werden, da in diesen Studien nicht nur niedrige Hb-Werte, sondern auch höhere Werte mit einem erhöhten kardiovaskulären Mortalitätsrisiko zu korrelieren schienen. Zusammenfassend lässt sich sagen: Mehrere Faktoren begünstigen das Auftreten von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Um der hohen Mortalität von Dialysepatienten Einhalt zu gebieten, ist eine umfassende Therapie erforderlich, die sowohl die Anämie, die Inflammation sowie den gestörten Mineralstoffmetabolismus in seiner gesamten Komplexität erfasst. Der Nephrologe muss somit an verschiedenen Fronten gegen ein- und denselben Gegner kämpfen.
Literatur
-
Ridker P et al. C-Reactive Protein and Other Markers of Inflammation in the Prediction of Cardiovascular Disease in Women. NEJM 2000; 342: 836.
-
Zimmermann J, Herrlinger S, Pruy A, et al. Inflammation enhances cardiovascular risk and mortality in hemodialysis patients. Kidney Int 1999; 55: 648-58.
-
Stenvinkel P et al. Inflammation and Outcome in End-Stage Renal Failure. Kidney Int 2002; 62 (5): 1791-1798.
-
Kaysen GA, Dubin JA, Muller HG, et al. The acute-phase response varies with time and predicts serum albumin levels in hemodialysis patients. The HEMO Study Group. Kidney Int 2000 Jul;58(1):346-52.
-
Ortega O. et al. Significance of High C-Reactive Protein Levels in Pre-Dialysis Patients. Nephrol.Dial.Transplant 2002; 17 (6): 1105-1109.
-
Singh AK et al. Correction of anemia with epoetin alfa in chronic kidney disease N Engl J Med 2006; 355:2085-2098.
-
Druecke TB et al. Normalization of hemoglobin level in patients with chronic kidney disease and anemia.N Engl J Med 2006; 355: 2071-2084.
Quelle: Deutsche Gesellschaft für Nephrologie, 26.03.2008 (tB).
Schlagwörter: Nephrologie