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MMW-Arzneimittelpreis 2011 für ATG-Fresenius S®

ATG-Fresenius S®: Ein Pharmaklassiker mit Zukunft

 

Basel, Schweiz (30. September 2011) – 30 Jahre Immunsuppression mit ATG-Fresenius S®, unter diesem Motto wurde heute ein Medikament geehrt, das mit der Geschichte der Transplantation untrennbar verbunden ist. Der polyklonale Antikörper ist seit Jahren Standard zur Behandlung und Prophylaxe akuter Abstoßung in der Transplantation solider Organe. Auf die PTLD (post-transplant lymphoproliferative disorder) wirkt ATG-Fresenius günstig, indem es verhindert, dass menschliche B-Zellen mit dem Epstein-Barr-Virus infiziert werden. Darüber existieren weitere Einsatzmöglichkeiten im Bereich der Hämatologie, z.B. in der Therapie der aplastischen Anämie. Der jüngste Meilenstein ist die Zulassung von ATG-Fresenius S® als Standardprophylaxe der Graft versus Host Disease bei Fremdspender-Stammzelltransplantationen bei Erwachsenen. Mit der Verleihung des MMW-Arzneimittelpreises wird dieser einzigartigen Erfolgsgeschichte die verdiente Anerkennung zuteil.

 

 

Transplantation – Ein Traum der Menschheit

 

„Der MMW-Arzneimittelpreis 2011 geht an ATG-Fresenius S®, einen polyklonalen Antikörper, der durch spezifische Bindung an T-Lymphozyten die immunologische Abwehrreaktion unterdrückt und so erfolgreiche Organtransplantationen erst möglich gemacht hat.“ So begründete Prof. Dr. Hermann S. Füeßl, Leiter des somatischen Querschnittsbereichs am Isar-Amper-Klinikum München-Ost und geschäftsführender Schriftleiter der MMW-Fortschritte der Medizin, die diesjährige Entscheidung von Chefredaktion und Schriftleitung, die nach Konsultationen mit international bekannten Kliniken, Grundlagenforschern und klinischen Pharmakologen getroffen wurde.

 

„Die Transplantation von Organen und Geweben war schon immer ein Traum der Menschheit“, sagte Füeßl. Erst durch die Entwicklung einer subtilen chirurgischen Technik und die Unterdrückung der immunologisch vermittelten Abstoßungsreaktion konnte er ab Mitte der Fünfzigerjahre des 20. Jahrhunderts verwirklicht werden. Daran hatten immunsuppressive Therapien entscheidenden Anteil. Ein Meilenstein war dabei sicherlich die erste Entwicklung und klinische Anwendung polyklonaler Antikörper gegen menschliche Lymphozyten.

 

Dr. Helmut P. Arbogast, stellvertretender chirurgischer Leiter des Transplantationszentrums am Klinikum Großhadern der Universität München, schilderte eindrucksvoll die erste Bewährungsprobe eines heterologen Immunserums gegen menschliche Lymphozyten, des ‚Münchner ALG’, das unter Leitung von Prof. Walter Brendel durch Immunisierung von Pferden gewonnen worden war. Prof. Barnard hatte das Serum nach Kapstadt einfliegen lassen, um damit Dr. Philip Blaiberg zu behandeln, den zweiten Patienten, den er einer Herztransplantation unterzogen hatte. Dieser hatte eine steroidresistente, spät-akute Abstoßung entwickelt. ALG rettete ihm das Leben.

 

Nach weiteren erfolgreichen und rettenden Anwendungen des Münchner ALG bei Herz- und Nierentransplantationen wurden polyklonale Antikörper rasch und weltweit zu einem unersetzlichen Bestandteil der Immunsuppression bei Organtransplantationen.

 

 

 

 

 

 

ATG-Fresenius S®

 

Heute steht mit ATG-Fresenius S® ein polyklonaler Antikörper zur Verfügung, der vorwiegend auf aktivierte T-Zellen zielt, ohne jedoch die Immunabwehr des Patienten stärker zu beeinträchtigen. Der Wirkmechanismus des vom Kaninchen gewonnenen Präparats umfasst Komplement vermittelte Zytolyse und Apoptose-Induktion von T- und B-Zellen, und Antigen präsentierenden Zellen. ATG-Fresenius S® verhindert die Adhäsion von T-Zellen an das Endothelium, minimiert T-Zell-Infiltration und blockiert verschiedene Signalübertragungswege im Immunsystem. Weiterhin bewirkt ATG-Fresenius S® die Ausbreitung der regulatorischen Zellen.

 

Inzwischen wird ATG nicht mehr nur als letzte Rettung in einer Abstoßungsreaktion verwendet sondern vielmehr als Induktionstherapie während der ersten Tage nach Transplantation. Ein direkter Anti-Tumor-Effekt bei verschiedenen hämatologischen Tumoren wird ebenfalls beschrieben.

 

 

Stammzelltransplantation

 

Die Zukunft der Transplantationsmedizin wird zunächst vor allem auf dem Gebiet der Zelltransplantationen liegen, erläuterte Prof. Dr. Dietmar Abendroth von der Universität Ulm. In der Behandlung des Diabetes mellitus oder des Schlaganfalls sind sie jedoch erst im experimentellen Stadium.

 

Die Transplantation allogener hämatopoetischer Stammzellen ist hingegen heute ein etabliertes Therapieelement bei hämatologischen Neoplasien mit hohem Rückfallrisiko sowie bei Patienten mit angeborenem oder erworbenem Knochenmarksversagen und Immundefekt, sagte Prof. Dr. Ernst Holler aus Regensburg. Waren noch in den 80-iger Jahren Zellspenden nur zwischen Verwandten möglich, so kann heute durch die mit molekularbiologischen Methoden verbesserte Typisierung des HLA-Systems (Human Leucocyte Antigen) in 80 % der Fälle die Fremdspendertransplantation erfolgreich eingesetzt werden.

 

Dabei wird die erhöhte Wahrscheinlichkeit von Antigen-Differenzen in Kauf genommen, da mit ihr auch positive Effekte wie die Graft versus Leukämie Reaktion (GvL) verbunden sein können. Die gesunden Spenderzellen greifen dann die von ihnen als fremd erkannten Tumorzellen des Patienten an und vernichten sie. Auch kann eine antiinfektiöse Immunität des Spenders im günstigen Falle mit transfundiert werden.

 

 

Graft versus Host Disease (GvHD)

 

Die negative Folge der allogenen Stammzelltransplantation kann eine überschießende Immunreaktion gegen Organe des Patienten sein, betonte Prof. Dr. Jürgen Finke von der medizinischen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Sie kann sich als so genannte Gaft versus Host Disease (GvHD) an der Haut, der Leber, dem Darm, oder der Lunge manifestieren und in starker Ausprägung lebensbedrohlich sein. Daher ist die adäquate Prophylaxe der GvHD von entscheidender Bedeutung für den Erfolg der Transplantation, so Finke.

 

Erst kürzlich wurde mit ATG-Fresenius S® der erste polyklonale Antikörper für die Indikation „Graft versus Host Disease Prophylaxe bei Fremdspender-Stammzelltransplantat-ionen in Erwachsenen“ in Deutschland zugelassen. Kurzdarauf wurde ATG-Fresenius S® in Österreich zugelassen. Prof. Finke stellte die Daten der Zulassungsstudie vor.

 

Zwischen 2003 und 2007 wurde eine prospektive randomisierte multizentrische Phase-III Studie mit 202 Patienten mit Leukämien durchgeführt, um den Stellenwert einer zusätzlichen Gabe von ATG-Fresenius zur Standard GvHD-Prophylaxe mit Cyclosporin und MTX zu prüfen. Alle Patienten wurden von einem HLA-kompatiblen nicht-verwandten Spender transplantiert. Die Ergebnisse zeigten mit einem medianen Follow-Up von zwei Jahren zum Zeitpunkt der Publikation (Finke et. al., Lancet Oncology 2009; 10: 855-864) eine signifikante Reduktion aller Formen der GvHD (aGvHD Grad 3-4 11,7% in der ATG-F Gruppe versus 24,5% in der Kontrollgruppe). Insbesondere die extensive chronische GvHD sank auf 12,2 % im ATG-Fresenius Arm versus 42,6% im Kontrollarm. Es zeigte sich kein signifikanter Unterschied bezüglich Rezidivrisiko, therapieassoziierter Mortalität, Gesamtüberleben oder lebensbedrohlicher infektiöser Komplikationen. Im längeren Verlauf (median 3 Jahre) konnte darüber hinaus gezeigt werden (Socie et. al. Blood 2011,) dass das Risiko einer extensiven chronischen GvHD aller Organmanifestationen reduziert werden sowie die Chance eines Überlebens ohne längerfristige Immunsuppression signifikant erhöht werden konnte.

 

 

Virusinfektionen unter Immunsuppression

 

Bei Transplantationspatienten, deren Immunsystem zur Vermeidung von Abstoßungsreaktionen supprimiert werden muss, ist jedoch mit dem Problem von Viruserkrankungen zu rechnen. Besonderes Augenmerk gilt dabei dem Epstein-Barr Virus (EBV), einem Herpesvirus, das fast alle von uns infiziert. In seinem Wirt nistet sich das Virus in den B-Zellen ein, wo es lebenslang schlummert. Unter gesunden Umständen hält das Immunsystem des Wirts EBV-infizierte B-Zellen zuverlässig in Schach, erklärte Prof. Dr. Reinhard Zeidler von der Klinik und Poliklinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde der Ludwig-Maximilians-Universität München. Entfällt die Immunkontrolle, wird das Virus aktiviert und kann dafür sorgen, dass sich infizierte Zellen unkontrolliert vermehren. Bei immunsupprimierten Transplantationspatienten entsteht deshalb mit einer Häufigkeit von 0,5-10 % eine, durch EBV verursachte, sogenannte ‚post-transplant lymphoproliferative disorder’ (PTLD).

Zeidler berichtete, dass unter ATG die Rate der PLTD relativ niedrig ist. Der Grund dafür könnte ein in ATG enthaltener Antikörper gegen ein Molekül auf der Oberfläche von B-Zellen sein, der das Eindringen von EBV in diese Zellen verhindert.

 

 

Anti-Tumor Aktivität von ATG

 

Der Vorsitzende der Veranstaltung, Prof. Dr. Nicolaus Kröger vom Stammzelltransplantationszentrum der Universität Hamburg wies noch auf eine weitere wichtige und positive Eigenschaft von ATG-Fresenius S® hin. Bedingt durch die Art seiner Gewinnung enthält das Medikament Antikörper gegen zahlreiche hämatopoetische Zellen und verursacht dadurch den Untergang nicht nur gesunder T-, B-, NK- und dendritischer Zellen sondern auch von malignen Zellen aus der lymphatischen und – in einem geringeren Ausmaß – aus der myeloischen Zelllinie.

 

Die Anti-CLL-Wirkung von ATG wird derzeit in vitro untersucht und zeigt sich dabei als vergleichbar stark wie die von monoklonalen Antikörpern wir Rituximab und Alemtuzumab. Auch für das multiple Myelom wird ATG zukünftig eine Therapieoption darstellen, sagte Kröger.

 

 

Über Fresenius

 

Fresenius ist ein weltweit tätiger Gesundheitskonzern mit Produkten und Dienstleistungen für die Dialyse, das Krankenhaus und die medizinische Versorgung von Patienten zu Hause. Im Geschäftsjahr 2010 erzielte das Unternehmen einen Umsatz von rund 16,0 Milliarden Euro. Zum 31. Dezember 2010 beschäftigte der Fresenius-Konzern weltweit 137.552 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

 

Weitere Informationen im Internet unter www.fresenius.de  

 

 

Über Fresenius Biotech

 

Fresenius Biotech ist ein Unternehmen des Gesundheitskonzerns Fresenius, das auf die Entwicklung und Vermarktung von Biopharmazeutika im Bereich der Onkologie und Transplantationsmedizin ausgerichtet ist. Fresenius Biotech hat seinen Sitz in München.

 

Weitere Informationen Internet unter www.fresenius-biotech.de  

 

 

Abbildung

 

 

 

Verleihung des MMW-Arzneimittelpreises 2011 an ATG-Fresenius S®

 

 

Download

 

 

  • Dr. med. Helmut Arbogast: “30 Jahre ATG-Fresenius S® – Vom ersten Einsatz bis zur weltweiten Anwendung”
    Abstract: Arbogast.pdf Arbogast.pdf (239.28 KB)

 

  • Prof. Dr. med. Dietmar Abendroth: “Transplantation gestern und heute: Zellen, Gewebe, Organe, Körperteile”
    Abstract: Abendroth.pdf Abendroth.pdf (241.33 KB)

 

  • Prof. Dr. med. Ernst Holler: “Stammzelltransplantation: Chancen und Risiken der Fremdspende”
    Abstract: Holler.pdf Holler.pdf (236.18 KB)

 

  • Prof. Dr. med. Jürgen Finke: “GvHD-Prophylaxe mit ATH-Fresenius S®: Die Datender Zulassungsstudie”
    Abstract: Finke.pdf Finke.pdf (238.84 KB)

 

  • Prof. Dr. med. Teinhard Zeidler: “Virusinfektionen unter Immunsuppression: Langzeitherausforderung EBV”
    Abstract: Zeidler.pdf Zeidler.pdf (235.77 KB)

 

  • Prof. Dr. med. Nicolaus Kröger: “Beyond T-cell depletion: Is there antitumor activity of ATG?”
    Abstract: Kroeger.pdf Kroeger.pdf (237.07 KB)

 

 


 

Quelle: Wissenschaftliches Symposium anlässlich der Verleihung des MMW-Arzneimittelpreises 2011 während der gemeinsamen Jahrestagung 2011 der DGHO, ÖGHO, SGMO und SGH+SSH am 30. 9. 2011 in Basel.

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