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Neuer Ansatz bei Schwerer Familiärer Hypercholesterinämie:

Anti-Sense-Molekül Mipomersen

Apo-B-Synthesehemmer reduziert extreme LDL-Cholesterinwerte

 

Leipzig (8. Dezember 2011) – Die Familiäre Hypercholesterinämie erfordert eine hoch-wirksame lipidsenkende Therapie, um die sehr hohen LDL-Cholesterinwerte in den „grünen Bereich“ zu senken und so das kardiovaskuläre Risiko zu reduzieren. Die übliche Pharmakotherapie stößt hier (jedoch) an ihre Grenzen. Als Ultima ratio bleibt die LDL-Apherese. Innovative medikamentöse Ansätze sind für diese Patienten daher hochwillkommen. Ein vielversprechender Kandidat ist das Anti-Sense-Oligonukleotid Mipomersen, das die Synthese von Apolipoprotein B blockiert und so auch extreme LDL-Cholesterinwerte effektiv reduzieren kann, so das Fazit renommierter Lipidexperten auf dem XVII Lipid Meeting Leipzig.

 

Große Endpunktstudien in der Lipidtherapie zeigten, dass zwischen LDL-Cholesterin und kardio-vaskulärem Risiko eine enge Korrelation besteht: Das Myokardinfarktrisiko steigt fast exponentiell mit dem LDL-Cholesterinwert an [1]. Dies erklärt das hohe kardiovaskuläre Risiko von Patienten mit Familiärer Hypercholesterinämie (FH), denn ihre Cholesterinwerte sind extrem hoch. Bei homozygoten FH-Patienten können sie mehr als 1.000 mg/dl erreichen. Dies führt zu einer fulminant fortschreitenden Atherosklerose. „Ohne Therapie haben die Betroffenen kaum eine Chance, das zweite Lebensjahrzehnt zu überleben“, so Professor Dr. Sabine Westphal, Lipid-Ambulanz, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg.

 

 

Früher Herzinfarkt durch extreme LDL-Cholesterinwerte

 

Ursache der FH sind Mutationen im LDL-Rezeptor-Gen. Bei heterozygoten Merkmalsträgern (Prävalenz = 1:500) sind die LDL-Cholesterinkonzentrationen um das 2- bis 3-fache erhöht (200-500 mg/dl). Ohne Therapie treiben sie die Atherosklerose innerhalb weniger Lebensjahrzehnte unerbittlich voran. Vielfach wird die Diagnose erst dann gestellt, wenn „zu früh“ der erste Myokardinfarkt eintritt: Mit 50 Jahren haben rund 50 Prozent der Männer mit FH bereits einen Herzinfarkt erlitten und mit 60 Jahren rund 30 Prozent der Frauen mit FH [2].

 

Oberstes Therapieziel bei der FH ist der Schutz vor kardiovaskulären Komplikationen. Dies erfordert eine frühe Diagnose und effektive LDL-Cholesterinreduktion. Der Verdacht auf eine FH besteht bei einem LDL-Cholesterinspiegel von mehr als 220 mg/dl (5,7 mmol/l), einer positiven Familienanamnese für frühe kardiovaskuläre Ereignisse oder ähnlich erhöhte LDL-Cholesterinwerte bei einem Elternteil oder Geschwistern [3]. Meist lässt sich die FH über mehrere Generationen zurückverfolgen. „Möglichst alle Blutsverwandten eines FH-Patienten sollten daher ein Lipidprofil erstellen lassen“, betonte Professor Dr. Herbert Schuster, INFOGEN Institut für Gesundheitsforschung und Gesundheitsmanagement, Privatärztliche Praxis für Prävention in Berlin.

 

 

Statine und Co. stoßen an ihre Grenzen

 

Die übliche lipidsenkende Therapie stößt bei FH an ihre Grenzen. Selbst maximal dosierte Statine sind nicht Erfolg versprechend [4]. Professor Westphal erinnerte in diesem Zusammenhang an die für alle Statine gültige „Rule of Six“: Mit jeder Dosisverdoppelung eines Statins kann das LDL-Cholesterin nur um weitere 6 Prozent gesenkt werden [5]. Dieser relativ geringe therapeutische Gewinn wird „teuer“ erkauft, da bei jeder Dosisverdopplung das Risiko unerwünschter Arzneimittelwirkungen steigt. Auch bei der Kombinationstherapie mit einem Statin und anderen Lipidsenkern wie dem Cholesterin-Resorptionshemmer Ezetimib [6], Nikotinsäure oder Gallensäure-Komplex-Bildnern bleiben die LDL-Cholesterinzielwerte oft weiterhin unerreichbar. Die Ultima Ratio ist die invasive Apherese-Therapie. Da sich die Cholesterinwerte jedoch innerhalb weniger Tage wieder auf den Ausgangswert erhöhen, ist eine wöchentliche Therapie von zwei bis vier Stunden Dauer erforderlich.

 

 

Die Atherosklerose im Ultraschall sichtbar machen

 

„Patienten mit Familiärer Hypercholesterinämie müssen über ihre Erkrankung besonders gut aufgeklärt werden, denn diese erfordert eine lebenslange Behandlung“, betonte Professor Schuster. Lange Zeit verläuft die Atherosklerose klinisch stumm: „Die ersten Symptome sind in der Hälfte der Fälle Herzinfarkt oder plötzlicher Herztod“, so Schuster. Statt „Zahlenakrobatik“ mit Risikofaktoren-Scores wie PROCAM zu betreiben, die das Risiko der FH Patienten drastisch unterschätzen, hat es sich nach seinen Worten bewährt, den Patienten bereits bestehende atherosklerotische Veränderungen mithilfe einer Karotis-Sonografie plastisch vor Augen zu führen. „Die Cholesterinreduktion ist keine LDL-Kosmetik, sondern die Behandlung der Erkrankung Atherosklerose“, betonte Schuster.

 

 

Neuer Ansatz zur LDL-Reduktion: Hemmung der Apo-B-Synthese

 

Einen völlig neuartigen Ansatz zur LDL-Reduktion bietet die Synthese-Hemmung von Apolipoprotein B (Apo-B). Das in den Leberzellen synthetisierte Apo-B bildet die strukturelle Basis für alle atherogenen Lipoproteine, die Cholesterin im Blut transportieren, darunter auch LDL (Low Densitiy Lipoprotein). „Durch die Hemmung der Apo-B-Synthese wird das LDL-Cholesterin signifikant gesenkt“, betonte Professor Dr. Ioanna Gouni-Berthold, Zentrum für Endokrinologie, Diabetologie und Präventivmedizin der Universitätsklinik Köln.

 

Mipomersen, der erste Vertreter der neuen Substanzklasse der Apo-B-Synthesehemmer, ist ein Anti-Sense-Oligonukleotid, das die Messenger-RNA für Apo-B blockiert. Da weniger Apo-B synthetisiert wird, sinkt analog die Konzentration aller atherogenen Lipoproteine im Blut, erklärte Dr. Richard S. Geary, Isis Pharmaceuticals, Inc., Carlsbad/CA (USA). In experimentellen Unter-suchungen konnte unter Mipomersen zudem eine Rückbildung der Atherosklerose gezeigt werden.

 

 

Mipomersen überzeugt durch starke LDL-Cholesterinreduktion

 

In klinischen Studien stellte Mipomersen seine starke LDL-Cholesterin senkende Wirkung bereits überzeugend unter Beweis. In allen randomisierten, placebokontrollierten doppelblinden Phase-III-Studien erreichte Mipomersen den primären Wirksamkeitsendpunkt, betonte Dr. Gilbert Wagener, VP Clinical Research Cardiovascular, Genzyme, Naarden, Niederlande. In den zulassungsrelevanten Studien reduzierte Mipomersen bei homozygoten FH-Patienten das LDL-Cholesterin um 25 Prozent, bei FH-Patienten mit einer schweren heterozygoten Ausprägung gar um zusätzliche 36 Prozent [7, 8]. In beiden Studien wurde die subkutane Gabe von einmal wöchentlich 200 mg Mipomersen zusätzlich zu der maximal verträglichen Dosis anderer Lipidsenker gegeben – die Patienten waren also medikamentös völlig austherapiert. In einer ganz aktuellen Studie bei Patienten mit einer Statinunverträglichkeit reduzierte die Gabe von Mipomersen „on top“ zu anderen Lipidsenkern das LDL-Cholesterin im Mittel um 114 mg/dl (von 242 mg/dl auf 128 mg/dl). Dies entspricht einer Reduktion um 47 Prozent [9]. Außerdem reduzierte Mipomersen statistisch signifikant weitere atherogene Partikel wie Apo-B, nicht-HDL-Cholesterin, Lp(a), Triglyzeride, Gesamtcholesterin und VLDL-Cholesterin sowie die LDL/HDL-Ratio. Lp(a) als kardiovaskulärer Risikofaktor ist bei Patienten mit einer FH oft zusätzlich erhöht und medikamentös kaum beeinflussbar.

 

Die Europäische Zulassung von Mipomersen zur Behandlung der homozygoten und schweren heterozygoten FH ist beantragt und wird für Ende 2012 erwartet.

 

 

Literatur

 

1. Grundy SM et al. circulation 2004;110:227-39.

2. Marks D et al. Atherosclerosis 2003;168:1-14.

3. www.lipid-liga.de

4. online doi:10.1093/eurheartj/ehr60.

5. Stein E. Eur Heart J 2001; 3(Suppl E):E11-6.

6. Ballantyne C et al. JACC 2002; 39 (Suppl B):135 B.

7. Raal FJ et al. Lancet 2010; 375:998-1008.

8. Tardif JC, Studien-Präsentation ACC 2011.

9. Stroes E., Studien-Präsentation AHA 2011.

 

 

Abbildungen

 

Wirkungsweise von Mipomersen. Photo: Genzyme

 

Abb.: Wirkungsweise von Mipomersen. Photo: Genzyme

 

 

Abb.: Wirkungsweise der Antisense-Oligonukleotide. Photo: Genzyme

 

Abb.: Wirkungsweise der Antisense-Oligonukleotide. Photo: Genzyme

 

 

Abb.: Phase 3 Programm Overview: Population. Photo Genzyme

 

Abb.: Phase 3 Programm Overview: Population. Photo Genzyme

 

 

Abb.: Phase 3 Programm Overview: Efficacy. Photo Genzyme

 

Abb.: Phase 3 Programm Overview: Efficacy. Photo Genzyme

 

 

Abb.: Phase 3 Programm Overview: Efficacy. Photo Genzyme

 

Abb.: Phase 3 Programm Overview: Efficacy. Photo Genzyme

 

 

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Über Genzyme

 

Genzyme mit Hauptsitz in Cambridge/ Massachusetts (USA) gehört zu den weltweit führenden Biotechnologie-Unternehmen. Seit der Gründung 1981 hat sich Genzyme von einem kleinen Start-up zu einem der erfolgreichsten Unternehmen der Biotechnologie-Branche mit ca. 10.000 Mitarbeitern in über 40 Ländern entwickelt. Genzyme gehört zur Sanofi-Gruppe.

 

In den letzten drei Jahrzehnten hat Genzyme eine Vielzahl bahnbrechender Therapien für teilweise bislang nicht behandelbare Krankheiten auf den Markt gebracht, um Patienten in 100 Ländern zu helfen. Das Biotechnologie-Unternehmen fokussiert bei seinen Forschungstätigkeiten den Bereich der seltenen Erkrankungen (Orphan diseases) und setzt dort den Schwerpunkt auf die lysosomalen Speicherkrankheiten. Daneben gehören die Behandlung von nephrologischen und kardiovaskulären Krankheiten, die Transplantationsmedizin und die Bereiche Autoimmunerkrankungen, Onkologie und maligne Schilddrüsenerkrankungen sowie orthopädische Anwendungsbereiche zum Forschungs- und Betätigungsfeld des Unternehmens. Am deutschen Standort in Neu-Isenburg nehmen über 180 Mitarbeiter hauptsächlich Vertriebsaktivitäten wahr und verfolgen eine ethisch verantwortungsvolle und serviceorientierte Zusammenarbeit mit medizinischen Fachkreisen und Patienten. Weitere Informationen unter www.genzyme.de.

 


 

Quelle: Genzyme Pressekonferenz zum Thema „Eine Familienangelegenheit: Wenn Lipide aus dem Ruder laufen“ am 8. Dezember 2011 und Genzyme Lunchsymposium „Industry opens the Hood: From Target to Drug“ am 9. Dezember 2011 anlässlich des XVII Lipid Meetings Leipzig (tB).

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