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Pregabalin – Ein Wirkstoff für mehrere Indikationen: Erfahrungsrückblick
Von Prof. Dr. Thomas Tölle, München
Frankfurt am Main (23. Juni 2006) – Pregabalin wird seit September 2004 sowohl für die Behandlung peripherer neuropathischer Schmerzen als auch als Zusatztherapie bei fokalen Epilepsien eingesetzt. Mit der generalisierten Angststörung ist nun die dritte Indikation hinzugekommen. Hier stellt sich die Frage: Auf welcher Basis kann Pregabalin seine therapeutischen Effekte in drei verschiedenen Indikationsgebieten erzielen?
In allen drei Indikationen stellt die Übererregbarkeit von Neuronenpopulationen die Ursache der Störung dar. Bei der fokalen Epilepsie sind die spontan auftretenden paroxysmalen Entladungstätigkeiten häufig in motorischen oder sensiblen Hirnarealen angesiedelt und klinisch mit entsprechenden motorischen Entäußerungen oder sensiblen Wahrnehmungen vergesellschaftet. Bei Schmerz und Angst entstehen die überschießenden neuronalen Entladungen in zentralen Netzwerken, die für die Reizaufnahme, Verarbeitung und Reaktionen des entsprechenden funktionellen Systems zuständig sind.
Beim Schmerz gehören zu diesem „Schmerznetzwerk" das Rückenmark, Hirnstamm, Thalamus, das limbische System und viele neocortikale Areale. Für einige klinische Schmerzbilder existieren zudem Hinweise, dass durch paroxysmale Aktivität in dieser schmerzgenerierenden Neuromatrix, ohne dass Schmerzreize von außen auf den Organismus einwirken müssen, beim Patienten Schmerzattacken ausgelöst werden. Für die Auslösung von Furcht‑ und Angstreaktionen stellt das Zusammenspiel von Amygdala, Hypothalamus und Hirnstammarealen mit Hippocampus und Assoziationscortices die neuroanatomisch‑funktionelle Basis dar. Überstarke, überschießende Aktivität in diesem Funktionssystem äußert sich in Angst und Panik.
An diesem Schlüsselement der pathologischen Nervenzellfunktion, detektierbar als inadäquate spontane Entladung oder inadäquate Reiz‑Reaktionsbeziehung einzelner Neurone oder von Neuronengruppen in einem verarbeitenden Netzwerk setzt Pregabalin mit seinem Wirkmechanismus an. Das Antikonvulsivum bindet selektiv mit hoher Affinität an die a2‑d-Untereinheit spannungsabhängiger Kalzium‑Kanäle auf Nervenzell‑Membranen und moduliert den Kalzium‑Einstrom in die Nervenzelle. Durch den verminderten Kalzium‑Einstrom wird bei neuronalen Erregungszuständen die Freisetzung exzitatorischer Transmitter wie Glutamat oder Substanz P reduziert. Die postsynaptischen Rezeptoren werden so weniger stimuliert, das Neuron reduziert seine spontane oder evozierte Entladungstätigkeit und das gesamte verarbeitende Netzwerk kommt insgesamt zu einem höheren Grad der Ruhe. Durch diese Ruhe können die Hirnstrukturen die gewohnheitsmäßig zugedachten Aufgaben wieder besser erfüllen und der Patient profitiert klinisch deutlich. Man geht davon aus, dass durch die verminderte Stimulation der jeweils für die Funktion zuständigen neuronalen Netzwerke die antikonvulsiven, analgetischen und anxiolytischen Aktivitäten von Pregabalin entstehen.
Neben der Wirkung auf einen erniedrigten Ruhetonus und eine verminderte Erregbarkeitsschwelle der einzelnen Nervenzelle wirkt sich die Indikationsbreite von Pregabalin jedoch auch klinisch vorteilhaft aus, wenn es darum geht, nicht nur die Hauptzielsymptome zu therapieren, sondern auch die Komorbiditäten zu sehen und die Behandlung des gesamten Patienten im Auge zu haben. Wegen der bekannten hohen Komorbiditäten wird beim Einsatz in der Schmerztherapie und in der Epilepsie der anxiolytische Effekt von Pregabalin bereits seit langer Zeit positiv wahrgenommen und therapeutisch genutzt. Darüber hinaus berichten viele Patienten auch über einen verbesserten Schlaf.
Es bleibt somit festzustellen, dass die Wirkung einer Substanz in unterschiedlichen Indikationsgebieten nicht nur für den Einzelfall neurobiologisch erklärbar ist, sondern für viele Patienten wegen der häufigen Komorbiditäten einen ausgesprochenen Glücksfall darstellen kann.
Abb. 1: Ein Wirkstoff für mehrere Therapien.
Abb. 2: Spannungsabhängiger Ca++-Kanal.
Abb. 3: Pregabalin reduziert die Übererregbarkeit an Synapsen.
Quelle: Pressekonferenz der Firma Pfizer zum Thema „Neue Behandlungsoption in der GAD – Zulassungserweiterung für Pregabalin“ am 23.06.2006 in Berlin (MCG–Medical Consulting Group) (tB).