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Weniger Nebenwirkungen bei Herzinfarkt – und Schlaganfall-Therapie?
Würzburger Forscher finden neuen Mechanismus bei der Blutgerinnung
Würzburg (17.06.2008) – Ein erhöhtes Blutungsrisiko ist die unerwünschte Nebenwirkung bei vielen Medikamenten, die heute zur Therapie von Herzinfarkt und Schlaganfall eingesetzt werden. Würzburger Wissenschaftler um Prof. Dr. Bernhard Nieswandt vom Rudolf-Virchow-Zentrum/DFG-Forschungszentrum der Universität Würzburg fanden jetzt einen bisher in Blutplättchen unbekannten Mechanismus, der bei gleicher Wirkung weniger Nebenwirkungen verspricht. Ihre Ergebnisse beschreiben sie jetzt in der Online-Veröffentlichung der renommierten Fachzeitschrift "Journal of Experimental Medicine".
Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind das größte Gesundheitsproblem für die westliche Gesellschaft. Eine Ursache der Erkrankungen sind Durchblutungsstörungen, die zu Herzinfarkt und Schlaganfall führen können. Diese treten auf, wenn Blutgefäße durch einen Blutpfropf verstopft werden. Ein solcher Blutpfropf entsteht an beschädigten Gefäßwänden durch die Anlagerung von Blutplättchen. Kommen sie an eine beschädigte Stelle, so werden sie von der Gefäßwand aktiviert und verändern ihre Form so, dass sie sich aneinander und an der Wand des Blutgefäßes festkleben können. Ist der Blutpfropf so groß, dass er das gesamte Gefäß verschließt, kann das Gewebe nicht mehr durchblutet werden. Besonders tragisch ist das im Herzen, Gehirn oder der Lunge. Es kommt zum Herzinfarkt, Schlaganfall und oder einer Lungenembolie.
Das bisher unlösbare Problem: Jedes Medikament, welches die gefährlichen Durchblutungsstörungen verhindert, beeinflusst auch immer die normale Blutstillung. Die ist aber lebenswichtig, um uns bei Verletzungen vor einem unkontrollierten Blutverlust zu schützen. Im schwersten Fall können innere Blutungen auftreten. Besonders stark wirksame Medikamente werden daher nur unter intensiver Betreuung verabreicht. Die Ursache: Die normale Blutstillung wird über den gleichen Mechanismus gesteuert wie die krankhafte Ausbildung eines Blutpfropfs. Das glaubte man zumindest bisher.
Die Ergebnisse der Würzburger Wissenschaftler um Bernhard Nieswandt weisen allerdings darauf hin, dass beide Wege doch getrennt sein könnten. Sollte das der Fall sein, so wäre eine gezieltere Therapie mit weniger Nebenwirkungen denkbar. In vorhergehenden Studien hatten sie bereits ein Protein namens STIM1 ausfindig gemacht, das für die Verklumpung der Blutplättchen eine Schlüsselrolle zu haben scheint. Schaltet man das Gen für STIM1 nun in Mäusen aus, so bestätigen sich die Ergebnisse auch im lebenden Organismus: Die Mäuse bilden keinen stabilen Blutpfropf. Die Blutstillung dagegen ist zwar verzögert, aber ansonsten nicht beeinflusst.
Das ist überraschend. Untersuchungen, die in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern der Neurologischen Klinik um Prof. Dr. Guido Stoll mit Hilfe der Magnetresonanztomographie durchgeführt wurden, zeigen außerdem, dass die Mäuse gegen Schlaganfall geschützt sind, und gleichzeitig keine erhöhte Gefahr von Gehirnblutungen aufweisen. Wie ist das zu erklären? "Es scheint doch noch alternative Wege zu geben in der Blutstillung, von denen wir bisher nichts wussten. STIM1 scheint enorm wichtig zu sein für die krankhafte Ausbildung eines Blutpfropfs, aber weniger für die normale", folgert Bernhard Nieswandt. Und sollten die Wege tatsächlich getrennt sein, so könne das der Schlüssel zu besseren Medikamenten gegen Herzinfarkt und Schlaganfall sein.
"The calcium sensor STIM1 is an essential mediator of arterial thrombosis and ischemic brain infarction", David Varga-Szabo, Attila Braun, Christoph Kleinschnitz, Markus Bender, Irina Pleines, Mirko Pham, Thomas Renné, Guido Stoll, Bernhard Nieswandt. Journal of Experimental Medicine, published online June 16, 2008, 10.1084/jem.20080302