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Aktualisierter Cochrane Review bewertet Zuverlässigkeit von Schnelltests zum Nachweis von COVID-19

 

Freiburg (24. März 2021) Cochrane veröffentlicht eine aktualisierte systematische Übersichtsarbeit zur Bewertung von Schnelltests für den Nachweis einer SARS-CoV-2-Infektion (COVID-19). Der Review zeigt, dass Antigen-Schnelltests bei Menschen mit Symptomen besser geeignet sind, Fälle von COVID-19 korrekt zu identifizieren als bei symptomlosen Personen. Es gibt große Unterschiede in der Genauigkeit der Tests verschiedener Hersteller, wobei nur sehr wenige die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) festgelegten Mindeststandards erfüllen.

In der COVID-19-Pandemie ist eine rasche Diagnose von Menschen, die mit SARS-CoV-2 infiziert sind, wichtig. Denn dann können schnell Entscheidungen über die Behandlung von Infizierten getroffen werden und weitere Maßnahmen wie Isolierung und Kontaktsuche beginnen. Für den Nachweis von SARS-CoV-2 wurden Schnelltest entwickelt, die in kurzer Zeit Ergebnisse liefern können. Es stehen zwei Arten von Schnelltests zur Verfügung, die beide eine Probe aus Nase oder Rachen verwenden. Antigen-Tests identifizieren Proteine des Virus und werden ähnlich wie Schwangerschaftstests in Einweg-Plastikkassetten geliefert. Sie liefern Ergebnisse innerhalb von 30 Minuten. Molekular-Tests weisen das genetische Material des Virus nach und verwenden Desktop-Analysegeräte oder kleine Handgeräte, deren Ergebnisse in der Regel binnen 30 Minuten bis 2 Stunden vorliegen.

Die Cochrane-Autoren wollten wissen, wie genau diese Tests eine Infektion bei Menschen mit potentiellen Symptomen von COVID-19 und bei Menschen ohne solche Symptome nachweisen. Sie identifizierten und fassten Studien zusammen, die die Genauigkeit von Schnelltests mit dem anerkannten Standard-Labortest, der RT-PCR, zum Nachweis einer aktuellen SARS-CoV-2-Infektion verglichen.

Die erste Version dieser Übersichtsarbeit umfasste 22 Studien und wurde im August 2020 veröffentlicht. Die aktualisierte Version umfasst nun Evidenz aus 64 Studien. Die meisten der eingeschlossenen Studien stammen aus Europa und den USA und bewerten die Genauigkeit von Antigen-Schnelltests. Nur drei Studien wurden ausschließlich an Personen ohne Symptome durchgeführt – zwei an Personen, die Kontaktpersonen von bestätigten Fällen waren und eine Screening-Studie mit Krankenhauspersonal. Mehr als die Hälfte der Antigentest-Studien untersuchte Proben von Bürgern, die z. B. in Testzentren, Notaufnahmen oder im Rahmen der Ermittlung von Kontaktpersonen oder nach Ausbrüchen getestet wurden. Studien zu Molekulartest wurden hauptsächlich in Laboren und nicht vor Ort durchgeführt.

Die Autoren des Reviews fanden heraus, dass Antigentests bei Personen mit Symptomen besser geeignet waren, COVID-19 zu identifizieren als bei symptomfreien Personen. Bei Personen mit Symptomen wurden im Durchschnitt 72 % der Personen, die COVID-19 hatten, korrekt als infiziert identifiziert. Am besten schnitten diese Tests in der ersten Woche nach Beginn der Symptome ab, dann identifizierten sie 78 % der Personen mit COVID-19. Bei Personen ohne Symptome identifizierten die Antigentests im Durchschnitt 58 % der Infizierten richtig. Antigentests schlossen eine Infektion bei 99,5 % der nicht infizierten Personen mit COVID-19-ähnlichen Symptomen und bei 98,9 % der nicht infizierten Personen ohne Symptome korrekt aus.

Der Prozentsatz der Personen mit COVID-19, die korrekt identifiziert wurden, variierte zwischen den verschiedenen Marken von Tests und hing auch davon ab, ob die Anleitungen der Hersteller zur Verwendung der Tests befolgt wurden. Bei Personen mit COVID-19-Symptomen reichte die korrekte Identifizierung über die verschiedenen Testmarken hinweg von 34 % (Coris Bioconcept Assay) über 58 % (Innova Assay) bis hin zu 88 % (SD Biosensor STANDARD Q Assay) der infizierten Personen. Die WHO hat Leistungsstandards für Tests festgelegt, die eine Infektion bei Menschen mit Symptomen nachweisen. Um diese Standards zu erfüllen, muss ein Test mindestens 80 % der Menschen mit einer Infektion korrekt identifizieren und eine Infektion bei 97 % der nicht infizierten Menschen korrekt ausschließen.

Zur Veranschaulichung ihrer Ergebnisse betrachten die Autoren die Wirkung von zwei der leistungsstärkeren Tests (Abbott Panbio und SD Biosensor STANDARD Q ) bei Personen mit Symptomen (75 % bis 88 % der COVID-19-Fälle korrekt identifiziert) und bei Personen, die keine Symptome hatten (49 % bis 69 % der COVID-19-Fälle korrekt identifiziert) für folgendes Szenario:

In einer Population von 1.000 Personen mit Symptomen, von denen 50 Personen tatsächlich COVID-19 haben, kann man mit diesen Schnelltests erwarten, dass etwa 40 Personen korrekt als COVID-19-Infizierte identifiziert werden und zwischen 6 und 12 Fälle von COVID-19 übersehen werden. Zwischen 5 und 9 der positiven Testergebnisse würden sich bei einer Überprüfung als falsch positiv herausstellen.

Die wahre Anzahl von SARS-CoV-2-Infektionen ist bei Massentests von symptomfreien Personen wahrscheinlich erheblich niedriger. In einer Gruppe von 10.000 Personen ohne Symptome, in der 50 Personen wirklich mit SARS-CoV-2 infiziert sind, würden zwischen 24 und 35 Personen korrekt als Virus-Träger identifiziert werden, zwischen 15 und 26 Fälle würden übersehen werden. Man müsste damit rechnen, dass die Tests zwischen 125 und 213 positive Ergebnisse liefern würden und dass zwischen 90 und 189 dieser positiven Ergebnisse tatsächlich falsch positiv wären.

Erstautorin Jacqueline Dinnes, Senior Researcher in Public Health, Epidemiologie und Biostatistik an der University of Birmingham kommentiert: „Unsere Übersichtsarbeit zeigt, dass einige Antigen-Tests nützlich sein können, wenn bei Menschen mit Symptomen ein Verdacht auf COVID-19 besteht. Diese Tests scheinen bei Menschen, die keine Symptome von COVID-19 haben, nicht so gut zu funktionieren. Die Bestätigung eines positiven Ergebnisses aus einem Schnelltest mit einem RT-PCR-Test kann, insbesondere bei einer geringen Häufigkeit von COVID-19-Fällen, helfen, unnötige Quarantäne-Maßnahmen zu vermeiden. Alle Antigentests übersehen einige Personen mit einer Infektion. Daher ist es wichtig, Personen, die ein negatives Testergebnis erhalten, klar zu machen, dass sie trotzdem infiziert sein können.

Es gibt einige neue Hinweise darauf, dass die Genauigkeit des Tests davon beeinflusst wird, wer ihn durchführt. Künftige Studien sollten den Zusammenhang zwischen der Erfahrung der Person, die den Test durchführt, und der Empfindlichkeit des Tests untersuchen. Zudem sollte sie Molekular-Tests nicht nur im Labor, sondern auch in den Settings evaluieren, in denen sie tatsächlich eingesetzt werden, um ihre Leistung in der Praxis zu klären.“

Koautor Jon Deeks, Professor für Biostatistik an der Universität Birmingham, fügt hinzu: „Es ist gut, dass wir Evidenz dafür finden konnten, dass einige Testmarken die von der WHO festgelegten minimalen Leistungsstandards für die Untersuchung von Menschen mit Symptomen erfüllen. Allerdings machen diese nur einen sehr kleinen Teil der kommerziell erhältlichen Tests aus. Anders verhält es sich beim Testen von Menschen ohne Symptome, insbesondere bei der Verwendung von wiederholten Antigen-Schnelltests zum Screening auf SARS-CoV-2-Infektionen bei Schülern und Personal in Schulen sowie bei Krankenhaus- und Pflegeheimpersonal. Wir haben keine Daten oder Studien gefunden, die die Genauigkeit dieser Tests bewerten, wenn sie beim wiederholten Screening von Personen ohne bekannte Exposition gegenüber SARS-CoV-2 eingesetzt werden. Solche Test-Strategien können sich bisher nicht auf ‚Real-World‘-Evidenz aus der Praxis stützen.“

 

 

Originalpublikation

  • Dinnes J, Deeks JJ, Berhane S, Taylor M, Adriano A, Davenport C, Dittrich S, Emperador D, Takwoingi Y, Cunningham J, Beese S, Domen J, Dretzke J, Ferrante di Ruano L, Harris IM, Price MJ, Taylor-Phillips S, Hoo-L, Leeflang MMG, McInnes MDF, Spijker R, Van den Bruel_A, Cochrane COVID-19 Diagnostic Test Accuracy Group.
    Rapid, point-of-care antigen and molecular-based tests for diagnosis of SARS-CoV-2 infection.
    Cochrane Database of Systematic Reviews 2021, Issue 3. Art. No.: CD013705.
    DOI: 10.1002/14651858.CD013705.pub2.

 

 


Quelle: Cochrane Deutschland, 24.03.2021 (tB).

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